1. Kapitel

Leider kann Ihr RSS-Reader keine Streams direkt abspielen. Der Audio-Stream kann aber trotzdem direkt im Blog gestartet werden. Folgen Sie einfach dem Link im Titel. Flattr this
17-08

„Ich fahr schon mal den Wagen vor“, hörte  Peer Wagmann seine Frau Isabell unten im Esszimmer rufen. Manchmal hasste er ihre süffisante Ironie. Er hatte nämlich vor zwei Wochen den Auftrag für ein „Krümmel-Drehbuch übernommen. „Kommissar Krümmel ermittelt“, sollte der neue Freitagskrimi des ZDF werden. Theo Maunz, für dessen investigatives Format „Maunz deckt auf“ Wagmann mit seinem Produktionsteam des öfteren entlarvende O-Töne und Statements von Politikern und Managern besorgte, hatte ihm den eigentlich ziemlich lukrativen Drehbuch-Auftrag verschafft. „Du hast so viel kriminelle Energie, da konnte ich Dich leicht durchboxen“, hatte Theo Maunz ihn etwas aufgezogen, aber gleichzeitig ein bisschen staatstragend gefordert: „Die Kollegen vom Fernsehspiel erwarten da einen Superwurf!“

 

Klar, die Redakteure vom ZDF-Fernsehspiel hatten die teilweise wirklich atemberaubenden  Filme über alltägliche Skandälchen in der Republik gesehen, die Wagmann im Auftrag von Maunz gedreht und produziert hatte.

 

„Wenn schon die Wirklichkeit so spannend gefilmt wird, dann geht es mit dem Autor in der Fiktion erst so richtig zur Sache“, hatte Theo Maunz seinen Freund angespornt. Seitdem arbeitete Peer Wagmann in jeder freien Minute am Drehbuch, überlegte sich Dramaturgien, feilte an Spannungsbögen für „Kommissar Krümmel ermittelt“ und quälte sich  um die von dem für Krimis zuständigen ZDF-Hauptabteilungsleiter Fritz Winter geforderte erzählerische Ökonomie.

 

Wagmanns Frau hatte den neuen Drehbuch-Auftrag ohne große Begeisterung aufgenommen. „Das sind 18.000 Euro für ein halbes Jahr Arbeit“, hatte sie Peer Wagmann vorgerechnet und konnte sich nicht verkneifen, angeblich detailliert zu kalkulieren: „Da landest Du vermutlich bei einem Stundenlohn von unter sechs Euro“.

 

Sie hatten sich daraufhin richtig heftig einen ganzen Abend lang über den Drehbuch-Job gestritten und erst nach drei Flaschen Nobile di Montepulciano eine Art Burgfrieden geschlossen. Peer Wagmann versprach, den Drehbuch-Job so einzubauen, dass die anderen Jobs der Produktionsgesellschaft, die er zusammen mit seinem Partner Ludwig Kolher betrieb, nicht darunter leiden würden. Denn aus diesen Jobs bestritt Familie Wagmann immerhin ihr ansehnliches Monatseinkommen, inklusive Privatschule für den Sohn und Studium an der amerikanischen Eliteuniversität Stanford für die Erstgeborene. Gleichzeitig sollte der arbeitsfreie „Familiensonntag“ gewahrt und ein Teil der Drehbuchschreiberei zu Hause erledigt werden.

 

Wagmann hatte dabei durchaus realisiert, dass der Drehbuch-Deal mit seiner Frau schon einige Vorteile mit sich brachte und hatte die ersten Spannungsbögen für den Plot auf der Couch im Wohnzimmer sitzend mit direktem Blick zum ökologisch korrekten Bioethanol-Kamin geschrieben, dabei abends, nachdem die journalistische Alltagsarbeit getan war, einen Riesling getrunken und sich bei seiner Schreiberei für die neue Krimiserie so richtig wohl gefühlt.

 

Ein paar Mal hatte er die Zeit dabei völlig vergessen. Das eine Mal hatte er pünktlich um 20:15 Uhr, nach der Tagesschau, angefangen, Dialoge, mit seinem, den schöngeistigen Aufgaben vorbehaltenem Füllfederhalter in sein Skizzenbuch zu schreiben und war völlig perplex, als er nach dem ersten Schaffensdrang den Füller aus der Hand legte und auf die Uhr sah: 2:00 Uhr in der Früh, und er musste um 5:00 Uhr wieder raus, um mit einer Story über den Klau von Kreditkartendaten in Spanien im ZDF-Morgenmagazin aufzutreten. War aber gut gegangen, nicht zuletzt, weil seine Frau ihn mit ihrer großen Familienkutsche zum Landesstudio nach Stuttgart gefahren und auf dem ZDF-Parkplatz am Herdweg abgesetzt hatte.

 

Seitdem zog sie ihn gerne mit einem Klassiker-Spruch aus „Derrick“ auf, einem ZDF-Krimi der ganz frühen Jahre, mit Horst Tappert in der Titelrolle. „Harry, fahr schon mal den Wagen vor“, war eine Anweisung, die ZDF-Kriminalhauptkommissar Stefan Derrick seinem Assistenten Harry Klein im Film nie erteilt hatte, die aber in der Fangemeinde als running gag kolportiert wurde.

 

Sagte Isabel „Ich fahr schon mal den Wagen vor“, wollte sie damit ihrem Mann eigentlich mitteilen, dass die Drehbuchschreiberei nur im Rahmen ihrer klaren Vereinbarung stattfinden dürfe und anderen familiären Anforderungen unterzuordnen sei. Vorgestern hatte sie ihn damit aus seinem kreativsten Schreibfluss seit Wochen gerissen, weil sie unbedingt ins Möbelgeschäft fahren wollte, um eine Schrankwand für die seit der Renovierung ihres Reihenhauses  kahle Esszimmer-Seitenwand auszusuchen. Heute wollte sie ihn vom Drehschreiben-Schreiben weglotsen, weil sie mit ihrer Tochter, die zum 50. Geburtstag ihrer Mutter eine kurze Stippvisite eingeschoben hatte, zum Abendessen beim fußläufig erreichbaren Italiener ihrer Kleinstadtsiedlung im Speckgürtel Stuttgarts verabredet waren.

 

Doch Peer Wagmann arbeitete gerade gar nicht an seinem Drehbuch. Er grübelte seit mindestens 30Minuten über einer E-Mail, die eine gute Geschichte für „Maunz deckt auf“ in sich stecken hatte. „E-Mail Bespitzelung im  Rathaus von Neckarstadt“ lautete die Betreffzeile. Detailliert beschrieb der Verfasser des elektronischen Briefes, der sich Insider“ nannte, wie im Rathaus von Wagmanns Heimatgemeinde Neckarstadt die elektronische Post von Verwaltungsmitarbeitern und Bürgern flächendeckend und systematisch überwacht wurde.

 

Wagmann und weitere Kollegen von regionalen Tageszeitungen, so schilderte der Mail-Verfasser weiter, stünden auf einer sogenannten Stoplist des Neckarstädter Oberbürgermeisters. Jedesmal wenn von einem Rathaus-PC eine Mail an eine auf der Stopliste stehende Mailadresse verschickt würde, so berichtete der Mail-Schreiber in nicht ganz fehlerfreiem Deutsch, landeten Kopien dieser Mail auf dem Rechner der Hauptamtsleiterin des Rathauses, die zugleich ein Verhältnis mit dem Oberbürgermeister habe. Und auch die von bestimmten Adressen eingehende Mail ins Rathaus werde auf diese Weise ausspioniert, teilte der anonyme Informant mit. Selbst der örtliche für die Stadtverwaltung von Neckarstadt zuständige Gewerkschaftssekretär von Verdi, Jan Kotulla, würde sich auf der Überwachungsliste befinden. So sei es dem Rathauschef überhaupt nur gelungen, die Streikmaßnahmen von Verdi im Frühjahr zu konterkarieren.

 

Wagmann erinnerte sich: Tatsächlich hatte Oberbürgermeister Karl-Theodor Schlemen es vor einem halben Jahr, als die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst auf einen Höhepunkt hinsteuerte, geschafft, Warnstreiks der Bauhofmitarbeiter und der Hausmeister der Schulen und Gemeindehallen durch den Einsatz eines privaten Dienstleisters  ins Leere laufen zu lassen. Er war für die „klare Antwort an die Verdi-Horde“ sogar ausdrücklich von seinem Parteifreund, Gereon Flüssler, Chefredakteur der lokalen Heimatzeitung und regionaler Rechtsausleger seiner Partei, gelobt worden.

 

Wenn der Verwaltungschef allerdings tatsächlich, wie vom anonymen Mail-Schreiber behauptet, die E-Mails des Gewerkschaftssekretärs mit den Streikvorbereitungen gelesen hatte, die dieser der örtlichen Streikleitung im Neckarstädter Rathaus geschickt hatte, brauchte man sich auch nicht zu wundern, dass die äußerst flexiblen Streikaktionen von Verdi durch den Einsatz von Leiharbeitern jeweils äußerst erfolgreich konterkariert werden konnten.

 

Wagmann witterte eine hochspannende Geschichte, und die lag sogar direkt vor der Haustür. Gleichwohl, seine Gemahlin beendete das Nachdenken über weitere journalistische Recherchen durch eine klare Anweisung: „Los geht’s, Laptop abschalten!“

Hörbuch: Mail-Mord in Neckarstadt - Kapitel 1
1.mp3
MP3 Audio Datei 6.9 MB

Wie soll es weitergehen?

 

Schreiben Sie dem Autor, wie es weiter gehen soll. Das können dramaturgische Hinweise, ausformulierte Szenen oder Beschreibungen über die weitere Romanhandlung sein. 

Was kann ein Comiccast?