Mein Austrittsschreiben an den Deutschen Journalisten-Verband vom heutigen Tage:
Deutscher Journalisten-Verband
Landesverband Baden-Württemberg e. V.
z. Hd. der Landesvorsitzenden Dagmar Lange
Herdweg 63
70174 Stuttgart
Stuttgart, 13. Juli 2019
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Dagmar!
Ich erkläre meinen Austritt aus dem Deutschen-Journalisten-Verband Baden-Württemberg und kündige meine Mitgliedschaft zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Aus formalen Gründen ist dies eine Austrittserklärung gegenüber dem Landesverband, in dem ich seit über 20 Jahren Mitglied bin, zehn Jahre als Kreisvorsitzender und sechs Jahre als Mitglied des Landesvorstandes gewirkt habe. In inhaltlicher Hinsicht handelt es sich um einen Austritt, der erfolgt, weil ich die verbandspolitische Ausrichtung des Bundesverbandes und die Aufgabe von wesentlichen berufsethischen Werten nicht mittragen kann.
Nicht nur die jüngsten Entwicklungen und Ereignisse in Zusammenhang mit der Fälschungsaffäre um den Vorsitzenden des Bayerischen Landesverbandes und der Umgang auf der Bundesebene damit haben mich nach intensiver Überlegung zu dem Schluss kommen lassen:
Eine weitere Mitgliedschaft im Deutschen Journalisten-Verband ist aus berufsethischen Gründen nicht mehr zu verantworten.
Einige Funktionäre des Bundesverbandes und ich waren und sind ja schon seit längerer Zeit auf Konfrontationskurs. Ich erinnere nur an die Auseinandersetzung mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Wolfgang Grebenhof, der seiner Forderung nach Nutzung von Wahlcomputern in Deutschland mit dem denkwürdigen Argument Nachdruck verleihen wollte, dass die Saudis derartige Wahlcomputer doch auch nutzen. Meine Kritik an dieser Aussage hat ja zu heftigen Scharmützeln geführt.
Dass der DJV von Internet-Konzernen wie Facebook und Google Geldzahlungen annimmt, Vertreter dieser Konzerne auf den von ihnen gesponserten Veranstaltungen als Präsentatoren auftreten lässt und Kritik an diesen Zahlungen im Bundesgesamtvorstand von Bundesvorstand und Hauptgeschäftsführer verhindert wird, fand gleichfalls meine Missbilligung.
Ich habe die Aussage des Bundesvorsitzenden Frank Überall, PR sei eine Spielart des Journalismus, kritisiert, ebenso seine CDU-Parteibuch-Camouflage in einem Tagesschau24-Interview und wurde für diese beiden Kritiken mit übelsten Beschimpfungen belegt.
Der Bundesvorsitzende Frank Überall versucht gegenwärtig, diesen DJV-Bundesverband in eine Art Vorfeldorganisation der CDU umzugestalten. Davor habe ich in meinem offenen Brief vom 2. Juni 2019 an ihn gewarnt. Ich hatte ihm bereits zuvor deutlich davon abgeraten, einen ranghohen Mitarbeiter aus dem Konrad-Adenauer-Haus als Nachfolger des demnächst sich in den Vorruhestand verabschiedenden Hauptgeschäftsführers zu etablieren.
Auch meine Ablehnung der alten Artikel 12 und 13 der europäischen Urheberrechtsreform brachte mich in eine Gegenposition zum Bundesvorsitzenden und zum Hauptgeschäftsführer, mit der die beiden offensichtlich nicht umgehen konnten.
Das gehört im DJV-Bund zu den unschönen Betriebsgeräuschen einer völlig verelendeten Debattenkultur.
Ich habe das viele Jahre hingenommen. Wir haben beide, liebe Dagmar, intensiv für eine konstruktive Streitkultur innerhalb des DJV geworben, wie wir diese in Baden-Württemberg leben. Wir sind damit auf der Bundesebene gescheitert.
Wie massiv unser Scheitern beim Kampf um eine demokratische Streitkultur ist, zeigt sich, wenn die stellvertretende Bundesvorsitzende Kathrin Konyen zur Eröffnung eines Bundesverbandstages ein Foto vom Vorstandstisch in die Versammlung der Delegierten mit der Bildunterschrift veröffentlicht „Die Spiele mögen beginnen“. Dem liegt nicht nur demokratietheoretische Ahnungslosigkeit zu Grunde.
Der berühmte Tropfen, der das Fass dann zum Überlaufen brachte und aktuell zu meinem Austritt führt, war der Umgang der Bundesebene mit der Zitatfälschung von Michael Busch. Ein obskurer Vorgang, eine kindische Rückruderaktion von Michael Busch, der überhaupt kein Unrechtsbewusstsein nach begangener Zitatfälschung erkennen ließ.
Das könnte man vielleicht noch unter der Rubrik „Widersinniges aus den bajuwarischen Landen“ ablegen und sich wieder den drängenden journalistischen Aufgaben zuwenden.
Allerdings hat der stellvertretende Bundesvorsitzende Wolfgang Grebenhof diese Zitatfälschung seines bayerischen Landsmannes Busch dann noch zu rechtfertigen versucht. Der Bundesvorstand in seiner Gesamtheit hat das hingenommen.
Was ist also passiert?
Ein Landesvorsitzender wird bei einer Zitatfälschung erwischt. Der stellvertretende Bundesvorsitzende springt ihm zur Seite. Der Bundesvorstand lässt diese Zitatfälschung durchgehen.
Das ist in der Tat ein ungeheuerlicher Vorgang!
Hier wird die Axt an die Wurzeln unseres Berufs gelegt. Ein Journalist darf niemals ein Zitat erfinden. Ein Journalist darf niemals ein Zitat fälschen. Ein Journalist darf niemals ein von ihm gefälschtes Zitat als Kampfmittel gegen einen politischen Gegner einsetzen.
Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben deutlich werden lassen, dass der Bundesvorstand diese berufsethische Position nicht vertritt. Im Gegenteil: Die Zitatfälschung von Busch wurde von der Bundesebene gedeckt.
Damit hat der Bundesverband eine wesentliche ethische Basis unseres Berufs aufgegeben. Wer Zitatfälschung durchgehen lässt, sogar wie Grebenhof, indirekt verteidigt, verabschiedet sich von der grundlegenden Verpflichtung auf Wahrhaftigkeit. Das kann man tun. Aber dann betreibt man keinen Journalismus mehr, sondern Propaganda. Das ist übrigens noch einmal etwas anderes, als PR zu einer Spielart des Journalismus zu erklären.
Ich habe mich einem wertorientierten Journalismus verpflichtet, betreibe ihn seit 36 Jahren und kann deshalb nicht länger Mitglied eines Berufsverbandes sein, der sich auf der Bundesebene von diesen Werten verabschiedet hat.
Mit kollegialen Grüßen
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Klaus Kothe (Montag, 15 Juli 2019 18:19)
Eine sehr couragierte und notwendige Handlungsweise. Respekt!
Jens Meier (Dienstag, 16 Juli 2019 08:44)
Bin schon länger ausgetreten, hab aber gestern mit vielen Kollegen über Ihren Austritt in unserer Redaktion gesprochen. Die Zitatefälschung ist schlimm. Dieser Busch sollte nicht mehr als Journalist arbeiten. Der überwiegende Teil der Bundesvorstandsmitglieder tut das ja auch nicht, die Arbeiten nicht als Journalisten. Entsprechend ist die Verbandspolitik.
Austritt ist einzig mögliche Konsequenz. Ihnen werden da viele Kollegen folgen. Da braucht es ja oft so eine Initialzündung. Die haben Sie gegeben, jetzt läuft das Los.
Iris Schmidt (Dienstag, 16 Juli 2019 10:14)
Chapeau!
Matthias Marquart (Mittwoch, 17 Juli 2019 13:44)
Konsequent und folgerichtig!
Wolfgang Noelke (Samstag, 20 Juli 2019 08:55)
Danke fuer die aufrechte Haltung!
Spaetestens die erste Bemuehung der Verbandsoberen, das klare VG-Wort Urteil zu umgehen, mit der Konsequenz des finanziellen Nachteils der Mitglieder, haette alle Alarmglocken klingeln lasen muessen. Ein Vertauensbruch, der wenn dieser intern nicht mehr heilbar ist, nur noch mit Austritt quittiert werden kann.
Doch wer bleibt uebrig, wenn kluge kritische Stimmen, wie deine fehlen?
Gerhard Hohmann (Sonntag, 21 Juli 2019 09:28)
Respekt. Bin selber nach Jahrzehnten Mitgliedschaft ausgetreten - war nicht mehr meine Gewerkschaft. So rechtslastig ist der DJV mittlerweile,dass es für Journalisten kontraproduktiv ist, dass es diesen Verband so gibt.
Ralf Neumann (Sonntag, 21 Juli 2019 10:16)
Ich bin aus dem DJV ausgetreten, hatte das schon länger vor und habe dies zum Anlass genommen diesen notwendigen Schritt zu tun.
Eines noch an Herrn Busch: Zitatfälschung geht gar nicht. Sie sind zwar bisher nicht mit journalistischer Arbeit aufgefallen, sondern eher als Hobbyfotograf einer Erlanger Lokalzeitung. Trotzdem finde ich, Leute wie Sie, die ein Zitat fälschen, sollten nicht mehr als Journalisten arbeiten
Alexandra Müller (Sonntag, 21 Juli 2019 10:24)
Erkenne alle genannten Austrittsmotive als überzeugend an. Wie geht es jetzt weiter? Sie werden doch auch weiterhin die Interessen von uns Journalist*innen vertreten?
Jan (Sonntag, 21 Juli 2019 10:41)
Ist doch klar, wie das läuft. Frank Überall will sein Geld demnächst als CDU-Medien Politiker verdienen. Dafür muss er aus dem DJV ne Vorfeld-Organisation für die CDU machen. Nur so kann der Verein überhaupt überleben. Die VG-Wort-Anerkennungskohle über die Verleger ist weg, Facebook zahlt weniger, die Mitgliedsbeiträge können nicht endlos raufgesetzt werden, der Streikfonds ist weitgehend geplündert, die Rücklagen sind ziemlich aufgebracht. Woher sollen die 40.000 für Überall, seine schicke Berliner "Unterkunft" und die "Aufwandsentschädigungen" für die Mitglieder des Bundesvorstan des kommen.Die Schilderung von Grebenhof über die netten "Begleitumstände" von so ner Vorstandssitzung haben mich sagen lassen, meine Kohle kriegt ihr nicht mehr
Sigi (Sonntag, 21 Juli 2019 12:38)
Sie missverstehen da etwas, Herr Welchering. Es geht nicht um berufsethische Werte.
Im DJV-Bundesvorstand herrscht schlicht Gelduntergangsstimmung.
Deshalb reagieren die völlig chaotisch und nicht mehr rational. Deshalb sind Sie da verhasst, weil sie 1. die VG-Wort-Nummer kaputtmachen (Tantiemen an die Verleger, die sich dann erkenntlich zeigen) und 2. deutlich was gesagt haben gegen die Gelder von Facebook, Google & Co. Schon kommt bei uns in NRW die Diskussion nach einer Zugangsbeschränkung auf, am besten Stach u seine Kumpels bilden so ne Bundespressekammer und entscheiden, wer Journalist sein kann/darf und kassieren natürlich für diese Zulassung
Claas (Montag, 22 Juli 2019 08:36)
Frank Überall verliebt sich alle fünf Minuten in sich selbst.
Damit ist das Problem des DJV umfassend beschrieben.
Manfred (Montag, 04 November 2019 13:59)
Ich werde nach diesem seltsamen Bundesverbandstag auch austreten!
Erhard Jakob (Samstag, 25 Januar 2020 05:46)
Setzt euch dafür ein, dass aufgeklärt wird, ob der Freistaat Sachsen
(vertreten durch den Justizminister Sebastian Gemkow CDU) in den
Jahren von 2014 bis 2019 das offenkundig gefälschte Gerichtsprotokoll
*? C 92/91 Riesa; 10.1.92* für richtig beurkundet hat? Oder nicht?
Infos siehe: Change.org EU-Pet 602/19.
Siegfried Neumann (Freitag, 07 Februar 2020 08:07)
DJV und FDP sin dzu dysfunktionalen Organisationen geworden, deren Spitzenfunktionäre ihren moralischen Kompass verloren haben. Ein rechtsstaatlich gesinnter Demokrat kann dort nicht länger Mitglied bleiben