Wie die Stuttgarter Rathausspitze die Aufklärung des Klinikum-Skandals blockiert

Am 14. März 2019 habe ich im DLF-Magazin über den Klinik-Skandal in Stuttgart berichtet, wie die Rathausspitze die Aufklärung hintertreibt und über die Diskussion über eine Änderung der Gemeineordnung, damit Gemeinderäte endlich ihre Kontrollfunktion ggü der Verwaltung besser durchsetzen können.

 

Mich haben nach der Sendung viele Mails mit der Bitte um Übersendung des Manuskripts erreicht. So ein Einzelversand ist eine aufwändige Sache. Deshalb stelle ich das Manuskript auf meinen Blog, so kann es jeder lesen, der mag.

 

 

 

Die Stuttgarter Rathausspitze und die Leitung des städtischen Klinikums witterten offenbar das große Geschäft: Patienten aus dem arabischen Raum sollten der Stadtkasse viele Millionen Euro einbringen. Als jedoch Rechnungen über fast zehn Millionen Euro für die Behandlung libyscher Patienten offen blieben, kamen äußerst fragwürdige Praktiken durch einen Bericht des Prüfungsamtes ans Licht:

So sollten ab dem Jahr 2014 für einen Beratervertrag über den Aufbau einer orthopädischen Klinik in Kuwait 46 Millionen Euro fließen. 20 Millionen davon waren als verdeckte Provisionen und Bakschisch eingeplant. Wieviel von diesem Geld den Weg nach Stuttgart zurückgefunden hat ‐ unter anderem das versucht die Staatsanwaltschaft in ihren Ermittlungen herauszufinden.

Sie ermittelt wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit. Der Stuttgarter

Gemeinderat will den Fall auch aufklären, aber die Stadtverwaltung blockiert.

Der ehemalige Leiter der inzwischen aufgelösten Klinikabteilung, Andreas Braun, verbrachte fünf Monate in Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen ihn läuft. Die Stadtverwaltung hatte ihm bereits im März 2017 gekündigt. Kürzlich sorgte Andreas Braun dafür , dass eine Bombe platzte:

Er stellte dem Stadtrat Heinrich Fiechtner, ehemals AfD, heute Gruppe „Bündnis Zukunft Stuttgart 23“ SMS‐Nachrichten zur Verfügung, die sich Braun und der damalige Stuttgarter KrankenhausbürgermeisterWerner Wölfle geschickt hatten. Inzwischen hat Fiechtner den SMS‐Verkehr veröffentlicht und begründet das so:

 

 

Zuspielung 1: fiechtner1

Die Veffentlichung dieses SMSWechsel war in meinen Augen zwingend nötig, weil er gezeigt hat, dass anders, als es propagiert worden ist, der Beigeordnete Bürgermeister Wölfle intensiver in die Umstände verwickelt war, die die international Unit betroffen hat.“

 

 

„International Unit“, so hieß die von Andreas Braun geleitete Krankenhausabteilung der Stadt Stuttgart, die die windigen Nahost‐Geschäfte abgewickelt hatte. Die Kurznachrichten belegen, dass auch Bürgermeister Wölfle tiefer in das Kuwait‐Geschäft verwickelt war, als er zugegeben hatte, Davon ist Philipp Hill, Mitglied derCDUGemeinderatsfraktionüberzeugt:

 

 

Zuspielung 2: hill3

 

„Die SMS zeigen, dass er sich als Troubleshooter betätigt hat. Er wurde, als der

Vertrag unterschrieben wurde, kontaktiert, worauf Werner Wölfle

'congratulations, be happy und don't pay a deficit' geantwortet hat. Also es zeigt doch auf: Herr Wölfle ‐ er war Wissender, er war Agierender. Und er hatte nicht diese Statistenrolle, die er immer von sich gezeichnet hat.“

 

 

 

Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein, durchsuchte das Büro im Rathaus und die private Wohnung von Werner Wölfle. Das Regierungspräsidium eröffnete ein Disziplinarverfahren gegen den Sozial‐ Bürgermeister, das allerdings bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ruht. Die Mehrheit der Stadträte legt Wölfle erhebliche Pflichtverletzungen zur Last. Martin Körner, Chef der SPD‐Gemeinderatsfraktion erläutert das so:

 

 

Zuspielung 4: koerner5

„Das war ja eine Feststellung des Rechnungsprüfungsamtes,dass der Vertrag mit dem Gesundheitsministerium von Kuwait dem zuständigen Krankenhaus‐ Ausschuss hätte vorgelegt werden müssen. Und dass er dem Ausschuss nicht vorgelegt wurde, ist aus unserer Sicht eine der Pflichtverletzungen des Krankenhaus Bürgermeisters Werner Wölfle, die man nicht einfach mal so abtun kann.“

 

 

CDUStadtrat Philipp Hill zufolge hatte der Bürgermeister seine Gründe dafür, den Kuwait‐Vertrag dem Gemeinderat vorzuenthalten.

 

 

 

Zuspielung 5: hill1

Die Details, die den Kuwait‐Vertrag betreffen, sehen ja vor, dass fünf Chefärzte aus dem Klinikum Stuttgart für die Dauer von einem halben Jahr permanent in Kuwait hätten aktiv werden müssen und sein. Angesichts des Umfangs dessen, was das Kuwait‐Konstrukt angeht,  wäre das nicht abgegangen ohne eine Leistungsreduzierung im Klinikum. Und da hätte der Stuttgarter Gemeinderat mit Sicherheit nicht zugestimmt.“

 

 

 

Ein Gemeinderatsausschussbemüht sich zwar um Aufklärung, doch die

Verwaltung blockiere und verhindere das, meint Martin Körner von der SPD

 

Zuspielung 6: koerner10

„Die Vorschläge, die aus dem Ausschuss kamen, auf die wurde ja eben nicht

eingegangen. Zum Beispiel die Möglichkeit, auch Gespräche zu führen mit Andreas Braun oder mit dem früheren Krankenhaus‐Bürgermeister,das wurde ja abgelehnt. Es wurde auch abgelehnt, dass die Mitglieder des Ausschusses jederzeit Unterlagen einsehen können, sondern sie können sie nur zu bestimmten Zeiten einsehen. Und wenn wir die Antworten auf unsere Anfragen anschauen, dann wissen wir mittlerweile ja

auch, dass die Antworten zum Teil schlicht falsch waren oder irreführend waren.

 

 

Verantwortlich für die Blockade der Aufklärung ist aus Sicht vieler Stadträte der Chef der Verwaltung, der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Für Martin Körner ist klar.

 

Zuspielung 7: koerner9

 

„……dass die Stadtspitze aus meiner Sicht nach wie vor nicht wirklich an Aufklärung interessiert ist, zumindest mal dann nicht, wenn es auch um Versäumnisse auf der politischen auf der Bürgermeister‐Ebene geht.“

 

Oberbürgermeister Fritz Kuhn lehnte ein Interview mit dem Deutschlandfunk in dieser Sache ab. Sein Pressesprecher erklärte, dass die Wünsche der Räte

geprüft würden. Stadträte nahezu aller Parteien bis auf die Grünen wollen eine Änderung der Gemeindeordnung durchsetzen, damit sie unabhängig von der Verwaltung aufklären können, auch Philipp Hill von der CDU:

 

Zuspielung 8: hill9

 

„Hier muss eine Änderung her. Wenn es auf kommunaler Ebene entsprechende

Vorgänge gibt, die einer Aufklärung bedürfen, dann muss man hier auch das


entsprechende Instrumentarium haben, ähnlich einem Ausschuss wie (er?)im Landtag eingerichtet werden kann, der dann auch über umfangreiche Rechte verfügt.“

 

 

 

Der Wunsch nach einer Änderung ist inzwischen im Landtag von Baden‐ Württemberg angekommen. Auch dort will man in Folge des Klinikumskandals die Kontrollfunktion der Stadträte stärken.

 

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