Eine Chance für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

 

Seit 1983 mache ich Radio und Fernsehen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Wenn ich also Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen äußere, ist das der gute Rat eines altgedienten und äußerst wohlgesinnten Mitarbeiters.

 

 

Warum ich das vorausschicke? Weil einige Hierarchen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf Grund der Diskussion über die Zukunft dieses Medienbereiches so dünnhäutig wurden, dass sie nicht mehr in der Lage sind zwischen aufbauender und wohlmeinender Kritik und Anwürfen zu unterscheiden.

 

Dass diese Hierarchen mit einer solchen Verhaltensweise eine große Gefahr für die Zukunftsfähigkeit und den Fortbestand der Öffentlich-Rechtlichen sind, muss nicht eigens betont werden.

 

 

Wesentliche Elemente des Grundversorgungsauftrages der Öffentlich-Rechtlichen sind das Wahrnehmen der Wächterfunktion und die Aufklärung der Bürger über die Hintergründe bestimmter gesellschaftlichen, politischer, wirtschaftlicher und technischer Entwicklungen. Beiden Elementen werden wir als öffentlich-rechtliche Journalisten nur gerecht, wenn wir auch Fehlentwicklungen sauber und präzise recherchieren, die Rechercheergebnisse sorgfältig dokumentieren und über diese Entwicklungen dann ausgewogen berichten.

 

 

Das kann auch das Aufdecken eines Skandals und der Bericht darüber sein, muss es aber nicht. Denn nicht jede Fehlentwicklung ist gleich ein Skandal. Um die Wächterfunktion leisten zu können, brauchen wir die Zuarbeit von Informanten. Damit unsere Hörer, Zuschauer und Nutzer unsere Beiträge über solche Fehlentwicklungen besser als bisher beurteilen können, müssen sie die Chance haben, einen Blick auf unser Recherchematerial zu werfen – selbstverständlich unter Beachtung aller Vorgaben zum Quellen- und Informantenschutz.

 

 

Wir Journalisten müssen künftig die Aufgaben übernehmen, die bisher von Aktivisten von Leakplattformen wahrgenommen wurden. Dazu gehört auch das Aufbereiten des geleakten Materials, so dass keine Informanten oder andere schutzwürdige Personen gefährdet werden.

 

 

Diese Aufbereitung kostet Geld. Diese Recherchen kosten Geld. Diese Entwicklungsrichtung steht im Gegensatz zum sogenannten „Investigativtrend“, bei dem Funkhäuser sog. „investigative Redaktionen“ als Alibi gründen, weil sie für breit angelegte Recherche in möglichst vielen Redaktionen kein Geld mehr zur Verfügung stellen wollen oder weil sie die Fachredaktionen gleich schon abgeschafft haben.

 

 

Wir Journalisten können und müssen von Wikileaks & Co lernen, dass es wichtig ist für die Entwicklung des demokratischen Rechtsstaates, dass Journalisten bei Wahrnehmung ihrer Wächterfunktion ihre ursprünglichen Quellen veröffentlichen und den Kontext ihrer Arbeit mitliefern.

 

 

Hier liegt eine enorme Chance für uns Öffentlich-Rechtliche.

 

Wir sollten sie endlich wahrnehmen!

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Was kann ein Comiccast?