Zur Woche des Datenschutzes stellen wir das Vorwort zum Buch "Informantenschutz" online, weil wir noch einmal darauf aufmrksam machen wollen, dass wir uns alle merh um Datenschutz, Informantenschutz und eben den Schutz unserer Privatsphäre kümmern müssen.
Vorratsdatenspeicherung, Ausbau der Videoüberwachung, massiver Einsatz von Trackingsoftware – Die Bürger werden überwacht auf Schritt und Tritt. Mit den Bürgern werden auch Journalisten bei ihrer Arbeit überwacht. Der journalistische Alltag hat sich dadurch verändert. Außerdem haben sowohl Sicherheitsbehörden als auch Unternehmen und verschiedene Organisationen ihren Aufwand bei der Journalistenüberwachung massiv verstärkt.
Sie wollen verhindern, dass unliebsame Informationen an Journalisten gelangen. Das lässt sich am ehesten durch massive Überwachung bewerkstelligen, mit der auch etwaigen Informanten – und somit den Leuten aus den eigenen Reihen – klar signalisiert und auch kommuniziert wird: Wer auch immer Informationen an Journalisten weitergibt, wird dabei erwischt, und die Konsequenzen werden fürchterlich sein. Vom Verlust des Arbeitsplatzes über strafrechtliche Konsequenzen bis hin zu hohen Schadenersatzforderungen reichen dabei die Instrumente, die gewissensgeplagten Mitarbeitern und Insidern gezeigt werden.
Dennoch fühlen sich immer mehr Menschen – teilweise nach sehr langer und gründlicher Überlegung – veranlasst, Material, das einen mittelprächtigen Skandal belegt, krasses Fehlverhalten von Führungskräften beweist oder Indizien auf klare Rechtsbrüche gibt, an Journalisten weiterzugeben, damit sie einen Rechercheansatz haben und darüber berichten können. Dass die Zahl der Whistleblower zugenommen hat, können wir aus Erfahrung bestätigen. Und wir vermuten dahinter zwei Tendenzen: Mehr Menschen trauen sich, Fehlverhalten aufzudecken, und dieses Fehlverhalten wird häufiger.
Gleichzeitig genießen Whistleblower in Deutschland einen völlig unzureichenden Schutz. Die übergriffige Art, mit der Sicherheitsbehörden versuchen, über Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen und Überwachungen Informanten von Journalisten zu enttarnen, zählt inzwischen zum Alltag. Diejenigen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden, vor allen Dingen in den Geheimdiensten, die mit diesen Übergriffen gegen Journalisten auf Informanten zielen, fühlen sich häufig von der Politik unterstützt.
Die Art, mit der der Paragraph 202 d StGB (Datenhehlerei) von Politikern der Großen Koalition in nahezu rekordverdächtiger Zeit regelrecht durchgepeitscht wurde, spricht da für sich. Die Selbstverständlichkeit, mit der inzwischen sogar schon kommunale Verwaltungen nicht wenig Geld für die Beauftragung von Detekteien, Sicherheitsunternehmen und Rechtsanwälten mit sogenanntem „Sicherheitshintergrund“ ausgeben, um ihnen unangenehme Berichterstattung schon im Vorfeld zu unterbinden, ist ein weiteres Indiz für den Ernst der Lage.
Informanten sind in Deutschland nicht nur weitgehend ungeschützt, sie gehen ein hohes Risiko ein, wenn sie Journalisten dabei helfen, ihre Wächterfunktion wahrzunehmen. Das hat auch damit zu tun, dass deutsche Sicherheitsbehörden gern mit Partnerorganisationen in aller Herren Länder kooperieren und das von den politischen Aufsichtsgremien bewusst nicht oder nur unzureichend wahrgenommen wird.
Würden die verantwortlichen Politiker in den Aufsichtsgremien dies wahrnehmen und entsprechend handeln, dann würde das viel Arbeit und so manche Unannehmlichkeit mit sich bringen. Es gibt nur wenige, zu wenige, Ausnahmen. Das haben die diversen NSA-Untersuchungsausschüsse klar gezeigt. Werden solche Kooperationen hingegen von Politikern in Aufsichtsgremien toleriert, zeigen sich die Dienste auch schon einmal erkenntlich.
Informationen über den politischen Gegner oder auch über potenzielle oder tatsächliche Abweichler in den eigenen Reihen sind da ja immer willkommen und lassen sich politisch geschickt recht effizient einsetzen. Die befreundeten Dienste und Partnerorganisationen hingegen sind nicht zimperlich, wenn es darum geht, den eigenen Laden „abzudichten“. Was wir im Sommer und Herbst 2015 bei Recherchen über Schlepperorganisationen erlebt haben, hat selbst unsere Albträume überboten.
Informanten sind aber auch deshalb gefährdet, weil wir Journalisten unsere Arbeit nicht richtig machen und sie nicht so umfassend schützen, wie es eigentlich geboten wäre. Ein nicht gerade geringer Teil der Kolleginnen und Kollegen interessiert sich einfach nicht für ein Thema wie den Informantenschutz.
Ganz düster sieht es da bei den Kollegen aus, die für Regional- und Lokalzeitungen arbeiten. Entweder haben sie sich von ihrer Wächterfunktion bereits verabschiedet, weil die Zeit für Recherchen fehlt, der Verleger dadurch seine Geschäfte gefährdet sieht oder die Verwaltungsfürsten in ihrem Beritt Entsprechendes vorgegeben haben. Egal ob es sich um radioaktive Abfälle auf kommunalen Müllkippen, verschwundene Gelder, veruntreute Millionen, Korruption im Amt, gelegentliche Geschenke öffentlichen Eigentums an gute Freunde oder um dubiose angebliche Steuersparmodelle als Public-Privat-Partnership handelt, in den Rathäusern, Landratsämtern und Regierungspräsidien herrscht hierzulande in viel zu vielen Fällen das Gesetz der Bananenrepublik. Investigative Recherchen, die nur mit Hilfe von Informanten möglich sind, bleiben hier aber aus. Whistleblower, die aufgrund schludriger Arbeit von Journalisten aufgeflogen sind, gibt es hier am meisten zu beklagen.
Informanten sind weiterhin auch deshalb gefährdet, weil Journalisten – das gilt auch für Journalistinnen – oftmals davor zurückscheuen, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, weil ihnen das alles viel zu kompliziert ist. Verschlüsselung zum Beispiel – da fühlen sich nicht wenige Kolleginnen und Kollegen gleich an die bösen Zeiten des Mathematikunterrichts erinnert und lassen das dann lieber sein.
Beim Informantenschutz in Deutschland haben wir also wirklich viel zu tun. Deshalb soll dieses Buch einen Überblick über Gefährdungslagen und über die entsprechenden Schutzmaßnahmen und Abwehrmethoden in solchen Fällen geben. Informantenschutz ist in erster Linie eine Frage des Bewusstseins und der richtigen Risikoeinschätzung. In zweiter Linie ist der Schutz der Whistleblower eine Frage der Technik und des korrekten Methodenansatzes. Techniken und Methoden des Informantenschutzes haben wir deshalb an Praxisbeispielen aus unserer alltäglichen Recherchepraxis dargestellt.
Das kommt nicht nur der Vorliebe von älteren Journalisten für Anekdoten aus ihrer beruflichen Praxis entgegen, sondern hat vor allen Dingen den Vorteil, dass die Schilderung von Technik und Methode nicht theoretisch bleibt, sondern ganz anwendungsbezogen und leicht verständlich daher kommen kann. Wir wollen damit von vornherein der Ausrede, das sei alles viel zu kompliziert, den Boden entziehen.
Informantenschutz ist nicht kompliziert, sondern eine Frage der Verantwortung. Außerdem können wir mit den Beispielen aus der eigenen Recherchepraxis auch gleich aufzeigen, dass Informantenschutz als berufliche Praxis und das Privatleben von Journalisten durchaus als zwei völlig verschiedene Bereiche voneinander getrennt werden können. Wir sind auch in Zeiten etwas intensiverer Überwachung unserer beruflichen Tätigkeit nicht paranoid geworden und haben uns auch keinen Aluhut gekauft.
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Jan S. (Freitag, 02 Februar 2018 10:11)
Guter Text! PS: da sind zwei kleiner Tipper im ersten Absatz.
alechandro (Mittwoch, 27 Januar 2021 14:16)
tschüss