Wert-loser Journalismus

Wir müssen uns verständigen über den Zustand des Journalismus im Zeitalter seiner Wertlosigkeit. Journalismus wird von vielen nicht mehr als wertvoll empfunden, weil er Wert-los geworden ist. Zu viele Journalistendarsteller und Medienagenten haben sich von der Verpflichtung auf Wahrhaftigkeit als dem grundlegenden Wert in diesem Beruf verabschiedet.

 

Zu viele haben ihre Haltung verloren und schreiben in jede beliebige ihnen vorgegebene Richtung. Diese Richtung kann vom Mainstream oder von einer einzelnen Interessengruppe bestimmt sein. Zu viele machen von ihrer Vernunftbegabung keinen Gebrauch mehr. Sie setzen in ihren Beiträgen ausschließlich auf emotionale Wirkung.

 

Die Wächterfunktion wird so großenteils außer Kraft gesetzt. Denn diese setzt eine vernünftige Betrachtung und wertgeleitete Einordnung politischer Vorgänge voraus. Neben der Wächterfunktion haben sich auch viele Journalisten der Aufgabe entledigt, Aufklärung als zentrales journalistisches Ziel anzustreben.

 

Das entspricht der Vorgabe zahlreicher Hierarchen in den Medienhäusern und Sendeanstalten, die Informationsschiene zu Gunsten der Unterhaltungsschiene abzubauen. Wenn sie die Wahl habe zwischen einem Beitrag über Korruption in einem Rathaus und dem ersten Softeis der Saison, würde sie sich selbstverständlich für den Beitrag über das Softeis entscheiden, meinte die Hierarchin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt.

 

Denn der politisch-investigative Beitrag würde einen riesigen Rattenschwanz an Arbeit nach sich ziehen. Solche Beiträge würden nämlich stets erhebliche politische Diskussionen und rechtliche Auseinandersetzungen auslösen, Beiträge wie der über das Softeis demgegenüber nicht.

 

Hier geben immer mehr Führungsverantwortliche auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die genuine Aufgabe ihrer Häuser, für eine informationelle Grundversorgung der Bürger zu sorgen, mehr oder weniger aus Gründen der Bequemlichkeit auf. Wir Journalisten machen das mit. Zumindest verzichten wir in solchen Fällen allzu oft auf Protest.

 

 

Der Journalismus sei in eine Krise geraten, so ist allenthalben zu hören. Als Ursache der Krise werden dann gern wirtschaftliche angeführt. Doch das greift viel zu kurz. Natürlich verschärfen die ökonomischen Konsequenzen der Strukturänderungen in der gesellschaftlichen Kommunikation die krisenhaften Erscheinungen im Journalismus.

 

Wir Journalisten dürfen uns aber nicht auf die bequeme Position zurückziehen und mit Nennung wirtschaftlicher Gründe für diese Krise unsere Mitverantwortung an dieser Krise bequem abschieben.

 

Das Bedürfnis nach sauber recherchierten und gut gemachten Geschichten ist groß.

 

In zahlreichen Diskussionen mit Hörern und Zuschauern werde ich damit immer wieder konfrontiert. Aber unsere Leser, Hörer und Zuschauer wollen auch immer stärker wissen, wie eine Geschichte zustande gekommen ist, welches Ausgangsmaterial für diese Geschichte den Journalisten zur Verfügung stand, wie die einzelnen Rechercheschritte ausgesehen haben. Hier müssen wir transparenter arbeiten, natürlich unter Wahrung aller Anforderungen, die der Informantenschutz an die journalistische Arbeit stellt.

 

 

Keine Frage, der aufgeklärte und mündige Mediennutzer bleibt ein Leitbild. Doch der Anteil der mündigen Leser, Hörer und Zuschauer ist gar nicht so klein, wie wir immer denken. Es ist eine gleichwohl oftmals schweigsame Minderheit. Aber diese Minderheit wächst.

 

Diese Mediennutzer verlangen von Journalisten eine wertorientierte Ausübung ihres Berufs, bei der die Wertebasis deutlich kommuniziert wird. Der Journalist muss bereit sein, sich für seine Wertorientierung zu verantworten. Das aber setzt eine Wertorientierung voraus, die bei zu vielen Kollegen fehlt. Und dieser Dialog mit den Mediennutzern setzt einen aufklärenden und aufgeklärten Journalismus voraus. Nur dann kann die Kommunikation mit den Mediennutzern auf Augenhöhe gelingen.

 

 

Doch diese Art, Journalismus als Dienstleistung für die Bürger des freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats zu sehen, ist einfach nicht en Vogue. Content Marketing als journalistische Dienstleistung, die Ablösung journalistischer Angebote durch Formate der Dauerbespaßung oder das besinnungslose Nachschreiben vorgegebener Stereoptype politisch-gesellschaftlicher Herrschaftsnarrative sind an ihre Stelle getreten. Das hat unser Gewerk in eine sehr ernste Glaubwürdigkeitskrise gebracht. Doch statt darauf zu reflektieren, dass Glaubwürdigkeit mit der Verpflichtung auf Wahrhaftigkeit und mit dem Auftrag der Aufklärung zu tun hat, belassen wir Journalisten es bei Ausflüchten, warum wir unsere Arbeit nicht mehr ernst nehmen oder ernst nehmen können und wollen. Und damit verlieren wir noch stärker an Glaubwürdigkeit. Um eine Wahrheit können wir uns nicht herummogeln: Niemand will oder braucht Wert-losen Journalismus. Einen den noch immer gültigen Werten der Aufklärung verpflichteten Journalismus zu betreiben, ist mühsam. Aber es ist aller Mühen wert.    

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Was kann ein Comiccast?