Schwarzer Filz

Wie CDU-Politiker eine rechtfreie Parallelkommune in Baden-Württemberg aufgebaut haben

 

Dieser Beitrag ist am 7. Januar 2013 auf cdu-watch veröffentlicht worden.

Ich crossposte diesen Beitrag hier vor der Landtagswahl am 13. März 2016 in Baden-Württemberg, um noch einmal auf den noch immer bestehenden dichten schwarzen Filz im Ländle hinzuweisen. Das sollte bei der Wahlentscheidung mit bedacht werden.

 

Zwei Anmerkungen noch zum Beitrag:

1. CDU-Politiker haben erheblich viel Steuergelder in rechtliche Auseinandersetzungen investiert, um diesen Beitrag zu verhinden. Sie waren nicht erfolgreich damit. Auch zwei Beschwerden vor dem Deutschen Presserat wurden abgewiesen.

2. Die Gemeindeprüfungsanstalt hat die Vorwürfe in Sachen Buchhaltung und fehlender Gelder allesamt bestätigt. Insgesamt haben die GPA-Prüfer 101 Mängel und schwere Rechtsverstöße in ihrem Bericht aufgeführt.

 

Hier der Beitrag - möge er in die Wahlentscheidung des einen oder anderen Wählers vielleicht  mit einfließen.

 

 

Meine Heimatgemeinde Pattonville wird als Zweckverband verwaltet. Den Zweckverbandsvorsitz teilen sich der Oberbürgermeister der am Zweckverband Pattonville beteiligten Stadt Remseck am Neckar, Karl-Heinz Schlumberger (CDU), und die Oberbürgermeisterin der Stadt Kornwestheim (formal parteilos, aber auf schwarzem Ticket im schwarzen Filz unterwegs), die die meisten Zweckverbandsgeschäfte von ihrem Bürgermeister Dietmar Allgaier (CDU) erledigen lässt.

Nun ist sehr ungewöhnlich, dass eine lebendige Gemeinde mit rund 7000 Einwohnern als Zweckverband verwaltet wird. In der Regel wird das nur bei Kläranlagen und Krematorien gemacht. In Pattonville gibt es aber gute Gründe dafür. Der am wenigsten wichtige Grund liegt darin, dass der/die Zweckverbandsvorsitzende für die Tätigkeit im Zweckverband, die ohnehin zu den Aufgaben der Rathausspitze gehören, 4.800 Euro extra im Jahr erhält, der/ die Stellvertreter(in) 1200 Euro.

Außerdem konnte der ebenfalls auf schwarzem Ticket reisende und für viele CDUler ausgesprochen nützliche abgewählte frühere Bürgermeister von Schlaitdorf, Dieter Girrbach, mit der Position eines Geschäftsführers des Zweckverbandes versorgt werdenPatronage gehört seit den Zeiten des Ministerpräsidenten und früheren Marinerichters Filbinger zu den Herrschaftsinstrumenten im schwarzen Filz Baden-Württembergs.

Ein anderes Motiv für den Fortbestand dieses Zweckverbandes liegt darin, dass sich damit ein rechtsfreier Raum schaffen ließ, der sich in der Kommunalpolitik als äußerst nützlich erweist und den beteiligten Politikern viele Vorteile bringt. Vor allen Dingen die Freunde aus der Schwarzen Fraktion wissen das zu nutzen.

Im Prüfbericht vom 18. Oktober 2010 hat die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg die katastrophalen Zustände in der Zweckverbandsverwaltung von Pattonville für die Jahre 2002 und 2003 gerügt. Der Prüfbericht ging mir zu, nachdem die Verwaltung es lange Zeit ablehnte, diesen Bericht öffentlich zu machen. Aber hin und wieder werden Journalisten solche Dinge ja zugespielt.

Der Prüfbericht beschreibt die haarsträubenden Verhältnisse in der Zweckverbandsverwaltung ganz gut. Die Gemeindeprüfungsanstalt rügte, dass Gebühren von der Verwaltung nicht beigetrieben wurden. Als die Beweislast ganz erdrückend war, gestand die Zweckverbandsvorsitzende Ursula Keck endlich nach vielen Tricksereien, Ausflüchten und einer ganzen Serie von Unwahrheiten ein, dass im Jahr 2002 Gebühren für Abwasseranschlüsse nicht „beigetrieben“ wurden.

Unbestritten existierte da eine gewisse „Nähe“ der Bauträger zu Amtsinhabern des Zweckverbandes, eine Nähe, die stutzig macht. Einige Bauträger pflegen die „politische Landschaft“ eben entsprechend. Der Geruch der (mutmaßlichen) Korruption ist also mächtig zu riechen.

Ich habe in meiner Eigenschaft als Beirat in Pattonville (Beiräte werden von den Gemeinderäten der beteiligten Gemeinden Kornwestheim und Remseck entsandt) von einem unabhängigen Juristen prüfen lassen, ob die vorliegenden Indizien und Beweisstücke für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichen.

Ergebnis: Sie würden ausreichen, allerdings sind die mutmaßlichen Straftaten, die es zu ermitteln gelte, bereits verjährt. Somit kann aus formalen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. 2007 war das entscheidende Jahr dafür, 2010 hat die Gemeindeprüfungsanstalt die Jahresrechnungen 2002 und 2003 geprüft und prompt beanstandet. Ab 2007 aber griff die Verfristung. Somit waren aus Verjährungsgründen bereits zu diesem Zeitpunkt Ermittlungen in Zusammenhang mit den §§ 266, 331, 332, 333 StGB nicht mehr möglich.

Das kann ja mal passieren, könnte man meinen. Es passierte aber noch mehr.

So wurde die Jahresrechnung 2005 des Zweckverbandes Pattonville erst im Jahr 2010 geprüft, weil sie so spät erstellt worden war. Prompt werden von den Prüfern sogenannte „offene Reste“ für das Jahr 2005 in Höhe von 104.206,70 Euro ausgewiesen. Dabei handelt es sich um Gelder, von denen man nicht weiß, wo sie geblieben sind, verschwundene Gelder also. (Siehe hier oder auch hier.)

Die Jahresrechnung für das Jahr 2006 wurde aufgrund verspäteter Fertigstellung erst im Jahr 2012 geprüft. Der Prüfbericht vermerkt sieben Haushaltsstellen mit „offenen Resten“ in einer Gesamthöhe von 141.257,62 Euro. Wieder verschwundene Gelder.

Der Prüfbericht vermerkt dazu auf Seite 12:

„Durch Beschluss des Zweckverbandsvorsitzenden wurde festgelegt, die ‚Offene Reste Giro HH/PV’ der Jahresrechnung 2004 – 2007 derzeit nicht aufklären zu lassen.“

Richtig, da will jemand etwas vertuschen, vorsätzlich und planvoll!

Auch im Jahr 2007 monieren die Prüfer „offene Reste“. Die Jahresrechnung 2007 ist aufgrund verspäteter Fertigstellung im Jahr 2012 geprüft worden. Die Verwaltung hat die Herausgabe des Prüfberichtes an mich als Beirat noch einmal um einige Monate verzögert, und zwar exakt so lange, bis auch hier die strafrechtliche Verjährung eingetreten war. (So ein dummer Zufall.)

Bei verschwundenen Geldern in öffentlichen Haushalten prüft eigentlich jede Staatsanwaltschaft schon rein routinemäßig sofort den Anfangsverdacht der Untreue. Die zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart kann dies nicht, weil die (etwaige) Straftat bei Vorlage des Prüfberichtes – leider, leider – verjährt war.

Immerhin aber wird erstmals amtlich auf Seite 27 des Prüfberichts festgestellt, bei den offenen Resten

„handelt es sich teils um Korrekturbuchungen im Zusammenhang mit Zahlwegsumbuchungen und teils um nicht aufgeklärte Buchungsvorgänge.“

Da wird ja immerhin eingeräumt, dass da etwas oberfaul ist. Und diese Buchungsvorgänge liegen weiterhin im Dunkeln, um nicht zu sagen: im Schwarzen.

Ich habe die Zweckverbandsverwaltung und die politische Leitung gefragt, was mit diesen Geldern passiert ist und auf Aufklärung gedrungen. Konkret fragte ich:

„Hat davon jemand Schokolade gekauft? War es eine Spende an Anonymous oder die Occupy-Bewegung, oder ist das Geld doch bei der örtlichen CDU gelandet?“

In der Sitzung wurde meine Frage natürlich nicht beantwortet. Statt dessen aber schrieb mit am 9. Mai 2012 ein von der Zweckverbandsverwaltung beauftragter Anwalt:

„Das öffentliche Anheizen einer Korruptionsdiskussion mit dem Erwähnen eines Anfangsverdachts einer Straftat ist durchaus geeignet, die Interessen des Zweckverbandes Pattonville/Sonnenberg zu beeinträchtigen. Auch insoweit verstoßen Sie als ehrenamtlich Tätiger gegen Ihre Treuepflichten gegenüber dem Zweckverband“.

Ich habe mich von diesem Unfug nicht beeindrucken lassen und zwei Forderungen gestellt:

  1. Zeitnahe Erstellung und Prüfung der Jahresrechnungen und Haushalte vor Eintritt der Verjährung einer (etwaigen) Straftat.
  2. Aufklärung der „vergessenen Abwasseranschlussgebühren“ aus dem Jahr 2002 und damit des Anfangsverdachts der Korruption, auch wenn hier aus formalrechtlichen Gründen Verjährung eingetreten ist, die eine juristische Aufarbeitung unmöglich macht. Weiterhin die lückenlose Aufklärung, was mit den „offene Resten“ genannten Geldern in sechsstelliger Höhe geschehen ist.

Daraufhin passierten zwei interessante Vorfälle:

  1. Ein Redakteur meines örtlichen Heimatblattes (stramme CDU-Tendenz, Leiter der Kreisredaktion CDU-Funktionär) drohte mir u.a. mit einer „Kampagne“ der Lokalzeitung, wenn ich die weitere Aufklärung der Finanzaffäre im Zweckverband Pattonville nicht endlich einstellen würde. Man könne mich beruflich und privat fertig machen.
  1. Aus dem Umfeld der politischen Leitung des Zweckverbandes wurde mir schon sehr frühzeitig bedeutet, dass mein Beharren auf Aufklärung in Sache Pattonviller Finanzskandal sich ungut auf mein Mietverhältnis im Technologiezentrum Techmoteum, eine hundertprozentige Tochter der Stadt Kornwestheim, Geschäftsführer ist Bürgermeister Dietmar Allgaier (CDU), auswirken könne. Im Techmoteum habe ich Räume für ein Hörfunkstudio und ein Büro angemietet. Prompt ereigneten sich in der Folgezeit unerklärliche Ausfälle in der Infrastruktur (Leitungen, Strom, Raumtemperatur), die meine journalistische Arbeit teilweise unmöglich machten. Ich habe den Mietvertrag gekündigt und verlege Studio und Büro nach Stuttgart.

Fazit: In meiner Heimatgemeinde Pattonville ist öffentliches Geld verschwunden, zumindest gibt es nicht aufgeklärte Buchungsvorgänge. Dies legt den Anfangsverdacht der Untreue nahe. Verwaltung und politische Leitung weigern sich, diese unaufgeklärten Buchungsvorgänge aufzuklären. Auch das legt einen Verdacht nahe, den ich aus formaljuristischen Gründen aber nicht benenne.

Bei Bauträgern hat die Verwaltung doch tatsächlich vergessen, Gebühren für Abwasseranschlüsse einzutreiben, bis diese verjährt waren. Dies legt den Anfangsverdacht auf Untreue und Korruption nahe.

Alle diese starken Verdachtsmomente können nicht rechtlich geklärt werden, weil die entsprechenden Haushalte erst vorgelegt wurden und geprüft werden konnten, nachdem die Verjährungsfrist der zu prüfenden Straftaten bereits verstrichen war. Die Jahresrechnungen 2008 bis 2010 hält die Verwaltung noch unter Verschluss. Vermutlich kann hier eine Prüfung auch erst wieder erfolgen, nachdem Verjährung eingetreten ist. Wird hier planvoll ein rechtfreier Raum geschaffen, der die Verfolgung von (etwaiger) Korruption und (etwaiger) Untreue unmöglich macht oder ist hier eine Verwaltung einfach nur gnadenlos unfähig? Ich habe diese Frage für mich persönlich eindeutig beantwortet.

 

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