Im drückend warmen August 1980 saß der Physiker Tim Berners-Lee am Ufer des Genfer Sees und war mit sich und der Zentral-Bibliothek des Europäischen Kernforschungszentrums Cern unzufrieden. Da war er extra für ein halbes Jahr zu einem Forschungsaufenthalt an das Cern gekommen, das nicht nur ale eine der bedeutendsten Forschungsstätten für Kernphysik gilt, sondern auch als überragende Entwicklungsschmiede für Computerprogramme.
Und nun das: Die Zentralbibliothek des Cern arbeitete noch mit einer Literaturverwaltung, die aus dem Lochkartenzeitalter stammte. Berners-Lee brauchte aber eine Forschungsdatenbank, die möglichst viele Bücher und Forschungsberichte digital zugänglich machte.
Aus Ärger über die unzureichende Computerausstattung entwickelte er in den nächsten vier Monaten „Enquire“, zu deutsch: Nachfrage. Enquire ist Computerprogramm, das Forschungsberichte, digitale Bücher und Laborstudien speichert und dabei mit sogenannten Hyperlinks, Verweisen arbeitet.
Die Grundidee des World Wide Web war geboren. Und sie wurde von vielen seiner Physiker-Kollegen sehr skeptisch betrachtet. Wenn Datenspeicher wie Enquire von Tim Berners-Lee sich am akademischen Markt durchsetzen würden, könnten die Studenten ja von einer Anmerkung in einem Forschungsbericht direkt per Verweis, Hyperlink genannt, in das nächste Dokument springen, darin lesen und ein drittes Dokument mit Hintergrundwissen öffnen. Die Studenten würden nicht mehr in Bibliotheken gehen und vor den Computerbildschirmen verdummen, so lautete die gängige Kritik an der Entwicklung von Tim Berners-Lee.
Um Enquire wurde es deshalb auch erst einmal sehr still. Neun Jahre lang präsentierte Tim Berners-Lee sene Idee von den vernetzten Dokumenten auf zahlreichen wissenschaftlichen Konferenzen, überall die gleiche Reaktion: Interessant, aber halten Sie das wirklich für einen akademischen Fortschritt?
Doch im Jahre 1990, Tim Berners-Lee war nun seit sechs Jahren als Wissenschaftler am Cern tätig, genauer. Im Oktober 1990 kam der Durchbruch. Mit Erlaubnis seines Forschungsdirektors startete Berners-Lee ein „Hyperlink-Projekt“: World Wide Web genannt. Die Menschen sollten all ihr Wissen in einen weltweiten Wissenspeicher geben, der Querverweise zwischen unterschiedlichen Dokumenten herstellte und das Wissen der Menschheit mit Hyperlinks erschließen sollte.
Die globale Wissensbibliothek der Erde, wie Tim Berners-Lee sie sich vorstellte, ist daraus noch nicht entstanden. Aber weltweit nutzen Millionen von Menschen das Internet, um zu lernen, online einzukaufen oder politische Fragen zu diskutieren. In nur drei Jahren wurde das World Wide Web zum selbstverständlichen Medium, über das Abermillionen von Menschen jeden Tag kommunizieren, Nachrichten lesen, hören und sehen.
1999 wurde Tim Berners-Lee als Lehrstuhlinhaber an das Massachussetts Intitute of Technology im amerikanischen Cambridge, nahe bei Boston berufen. Dort arbeitet er seither am Semantic Web, das World Wide Web, das unsere Alltagssprache versteht und uns auf alle Fragen sofort Antworten liefert. Probleme selbstständig für den Menschen löst. Noch ist das eine Vision. Doch Tim Berners-Lee ist jemand der nicht nur an seine Visionen glaubt, sondern sie auch hartnäckig verwirklicht.
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