Dass Unternehmen immer stärker Prognoseverfahren auf der Grundlage von Big-Data-Algorithmen einsetzen, um Kunden und Mitarbeiter besser einschätzen zu können, wird erst seit kurzer Zeit diskutiert. Die Analyseverfahren liefern erstaunlich präzise Prognosen, haben aber auch ihre Tücken.
Verhaltensprognosen auf der Grundlage von Big-Data-Methoden lassen sich auf vielen Gebieten anwenden. Versicherungen finden mit dieser neuen Analysesoftware auf Massendatenbasis gezielter ihre Kunden. Modegeschäfte ermitteln damit, welche Stilrichtung sich gut verkauft. Telefongesellschaften finden so heraus, welche ihrer Kunden ihren Mobilfunkvertrag kündigen wollen. Personalberatungen in den USA suchen mit diesen Auswertungsmethoden geeignete Kandidaten für ganz besondere Expertenjobs mit sehr speziellen Anforderungen.
Allerdings sind diese Prognose-Instrumente ein wenig in Verruf gekommen, weil Geheimdienste damit flächendeckend Menschen überwachen. Für die Wirtschaft ist das gefährlich. Sie braucht diese Instrumente und geht deshalb mit Informationsveranstaltungen und Diskussion über Big Data in die Offensive. „Wir müssen dringend darüber diskutieren, wie wir solche Big-Data-Anwendungen im Marketing, bei den Human Ressources und generell in der Unternehmensplanung so gestalten, dass sie tatsächlich konstruktiv sind und nicht destruktiv werden“, fordert Thomas Mosch vom IT-Branchenverband Bitkom.
Der Detailgrad der Big-Data-Analyse führt zu ganz neuen Erkenntnissen
Die NSA-Affäre hat hier ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Immer mehr Anwender und Bürger stehen Big-Data-Anwendungen kritisch gegenüber, weil Geheimdienste sie für flächendeckende Überwachung nutzen. Und sie fragen sich zunehmend: Wie stark spionieren dann auch Unternehmen den Bürger aus, wenn sie Big Data für die Marktforschung oder im Bereich Human Ressource einsetzen?
„Eines ist vollkommen unstrittig“, meint Professor Felix Wortmann von der Universität St. Gallen und fährt fort: „ Big Data erschließt ganz neue und bisher nicht gekannte detaillierte Auswertungs- und Prognosemethoden“.
Big-Data-Analysen werden immer dann angewandt, wenn exakt prognostiziert werden soll, was Menschen mit welcher Wahrscheinlichkeit tun. Dafür müssen sehr große Datenmengen erhoben und abgeglichen werden, um die wichtigen Verhaltensmuster zu finden und auf einzelne Fälle und Fragestellungen oder bestimmte Gruppen von Menschen anwenden zu können.
Verhaltensprognosen von Regierungschefs sind enorm präzise
So nutzen zum Beispiel Geheimdienste Big Data nicht nur für die Massenüberwachung angeblich im Kampf gegen Terrorismus, sondern berechnen damit auch das Verhalten fremder Regierungen. So hat die National Security Agency die nächsten Schritte der chinesischen Regierung in der Auseinandersetzung mit Japan um die Senkaku-Inseln im ostchinesischen Meer mit einem Simulationsprogramm auf Big-Data-Basis ziemlich präzise prognostiziert.
Die NSA-Wissenschaftler werteten dafür nicht nur sämtliche politischen Beiträge in chinesischen Medien über einen Zeitraum von 16 Wochen aus, sondern auch Kommunikations- und Verbindungsdaten hochrangiger chinesischer Politiker und Militärs. Außerdem griffen sie auf Strategieprofile der chinesischen Marine und Luftwaffe zurück, die bei vergleichbaren Vorfällen über einen Zeitraum von 25 Jahren angelegt worden waren.
Die eingesetzten Algorithmen unterliegen zwar der Geheimhaltung. Allerdings haben für die NSA tätige Mathematiker ein entsprechendes Analysesystem auf einer Big-Data-Konferenz im kalifornischen Menlo Park im Herbst 2011 vorgestellt.
Das gesamte System besteht aus Software zur Berechnung statistischer Wahrscheinlichkeiten und zur Simulation von Entscheidungen. Erfolgskritisch sind die festgestellten signifikanten statistischen Korrelationen, zum Beispiel zwischen einer martialischen Sprache in den Regierungsverlautbarungen und fehlender Risikobereitschaft bei Militäreinsätzen oder zwischen einem bestimmten Kommunikationsverhalten und politischen Entscheidungen.
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