Früher hieß es: „Wer schreibt, der bleibt“. Die alte Marketing-Weisheit ist im Web-2.0-Zeitalter etwas abgewandelt immer noch gültig: Wer twittert, postet und blogt, gewinnt Leser und damit Reichweite. Davon können auch Fachzeitschriften mit ganz kleinem Budget profitieren.
Seit 2011 hält sich der Trend durch: Titel, die Social Media einsetzen, gewinnen an Reichweite. Allerdings müssen die Vernetzungsmöglichkeiten von Social Media strategisch klug genutzt werden. Von Online-Tickern über den Twitter-Kanal, Video-Podcasts und Audio-Slideshows bis hin zu Themen-Wikis und Weblogs sind die Möglichkeiten vielfältig, die sich hier bieten.
Man darf sich nur nicht verzetteln, und man sollte die großspurigen Versprechen von selbsternannten Social-Media-Beratern über den Erfolg groß angelegter und entsprechend hochpreisiger Kampagnen in Sachen Web 2.0 sehr kritisch prüfen.
Vor allen Dingen kleinere Verlage und Fachzeitschriften fühlen sich von der neuen Social-Media-Vielfalt oftmals schlicht überfordert. Geld für eine Web-2.0-Kampagne in deutlich fünfstelliger Höhe ist hier in der Regel auch nicht da. Und so bleiben die hervorragenden Möglichkeiten zur Reichweitensteigerung und zur Verbesserung der Leser-Blatt-Bindung in nicht wenigen Fällen einfach ungenutzt. Dabei lassen sich mit etwas Planung und einer wohlüberlegten Strategie gerade von Fachzeitschriften hervorragend nutzen.
Schritt Nr. 1 besteht im Verzicht auf den teuren Social-Media-Berater. Der zweite Schritt in der Auswahl der Kanäle, über die die eigene Zielgruppe am besten erreicht werden kann. Die Erfahrungen der vergangenen vier Jahre zeigen, dass ein Fachblog, Twitter und ein Youtube-Kanal hier ausgesprochen effiziente Möglichkeiten bieten. Der wöchentliche Zeitaufwand der betreuenden Redakteure sollte dabei sechs Stunden nicht übersteigen.
Wichtig ist der schrittweise Aufbau der Kanäle und das kontinuierliche Bespielen mit Inhalten. Fachblog und Twitter bieten sich für den Start in die Social-Media-Welt an. Der eigene Youtube-Kanal sollte dann nach einigen Wochen dazu kommen.
Der Fachblog kann auf der eigenen Verlags- oder Redaktionssite im World Wide Web mit untergebracht werden. Dazu muss nicht zwingend eine eigene Wordpress- oder Blogspot-Präsenz eingerichtet werden. Allerdings muss ein attraktiver Platz für den Fachblog auf der eigenen Site gefunden werden.
Zumindest einmal pro Woche muss dann auch unbedingt ein Beitrag im Fachblog erscheinen. Das kann eine verkürzte Vorschau auf einen Artikel in der nächsten Ausgabe der Fachzeitschrift sein. Das kann aber auch ein kurzes Interview im Frage-Antwort-Spiel mit einer Branchengröße sein. Besonders beliebt sind bei den Netz-Nutzern Meinungsbeiträge.
Für den Start reichen sechs Wochenstunden
Tägliche Blog-Beiträge sind natürlich ideal, aber nicht immer zu realisieren. Insbesondere in knapp besetzten Fachredaktionen sollte man darauf achten, dass ein Blog-Beitrag aus einer Zweitverwertung heraus entstehen kann; das spart Zeit und Geld. Für eigens eingekaufte Beiträge wird in der Regel kein Budget vorhanden sein. Deshalb sollten sich die Mitarbeiter einer Fachredaktion beim Schreiben der Blog-Beiträge abwechseln, um Kontinuität sicherzustellen.
In Zweimensch-Redaktionen sollte dadurch auch kein großartiger Abstimmungsaufwand entstehen. Kommt noch eine Frau oder ein Mann als Blog-Autor/in hinzu, gilt dies immer noch. Ein eigener Blog-Dienstplan ist erfahrungsgemäß erst in Redaktionen ab einem Dutzend Redakteure sinnvoll. Da dürften die meisten Fachredaktionen weit darunter bleiben.
Auch Politiker, Promis aus der Branche und Unternehmenschefs lassen sich gern als Autoren für Blog-Beiträge gewinnen. PR-Agenturen haben das insbesondere in der Fachkommunikation bereits als attraktives Geschäftsfeld erkannt und bieten auch schon entsprechende Textsorten an.
Eine Kommentarfunktion, mit der die eigenen Leser die Blog-Beiträge diskutieren können, sollte unbedingt dazu gehören. So etwas verursacht jedoch zusätzliche Arbeit, weil die Kommentare auf zivil- und strafrechtlich relevante Äußerungen überprüft werden müssen.
Jeder Blog-Beitrag sollte dann mehrfach getwittert werden. Die „Anmoderationen“ der Links zum Blog-Beitrag im Tweet müssen sich natürlich deutlich voneinander unterscheiden. Online-Werkzeuge wie die Hootsuite oder Bufferapp helfen, solche Tweets en bloc in einer Viertelstunde zu schreiben und dann zeitversetzt zu senden. Das erhöht die Präsenz und damit die Aufmerksamkeit der Netz-Nutzer und Leser.
Kommunikation auf Augenhöhe ist angesagt
Dabei darf der Twitter-Kanal aber keinesfalls ausschließlich als reiner Ankündigungskanal für eigene Blog-Beiträge genutzt werden. Das führt innerhalb der Twitter-Gemeinde zu massiven Verstimmungen. Wer Twitter im wesentlichen als „Link-Maschine“ missbraucht, ist bei den Twitterern unten durch.
Deshalb sollte auch über Twitter zu Diskussionen über die Blog-Beiträge aufgefordert werden, und auf Kommentare sollt auch via Twitter geantwortet werden. Das äußerst einfache Erfolgsgeheimnis der Kommunikation über Twitter lautet nämlich: Kommunikation auf Augenhöhe.
Ein zweites Erfolgsgeheimnis kommt noch hinzu, nämlich die schnelle Reaktion und Antwort. Twitterer warten durchaus mal einen halben Tag auf eine Antwort. Je schneller sie kommt, umso lieber ist ihnen das. Aber einen ganzen Tag sollte man nicht vergehen lassen, um auf eine via Twitter gestellte Frage, eine vorgebrachte Kritik oder einen Kommentar zu antworten.
Einige Diskussionen lassen sich dann auch leichter durch Vergabe eines sogenannten Hashtags, einer Art Twitter-Schlagwort, strukturieren. Das bringt Übersichtlichkeit in die Diskussion und wird von Twitter-Usern durchaus geschätzt.
Mittlere Säule bleibt die Fachzeitschrift
Der Fachblog und der Twitter-Kanal sollten gleichzeitig gestartet werden. In der Printausgabe der Fachzeitschift muss dann auch auf diesen Tag hingearbeitet werden. Mindestens drei Ausgaben sollten sich der eigenen Social-Media-Angebote widmen, die für die Leser gestartet werden.
Das können einführende Artikel über die Bedeutung von Social Media für die Branche sein. Es empfehlen sich aber auch kurze Stücke über die Nutzung von Twitter und über die Angebote auf der eigenen Homepage, die eine klare Nutzwertorientierung haben müssen. Durch einen Meinungsbeitrag und ein Interview über ein Social-Media-Thema in Sachen Fachinformation wird diese Einführungsphase in der gedruckten Ausgabe gut komplettiert.
Um die Social-Media-Reichweite für die eigene Fachzeitschrift noch einmal wesentlich zu erhöhen, empfiehlt sich dann nach einigen Wochen der Start eines redaktionseigenen Angebots auf einer weiteren Web-2.0-Plattform. In der Regel sollte dies ein Youtube-Kanal sein.
Der muss auch nicht unbedingt mit teuren Videoproduktionen bespielt werden. Günstige Audio-Slideshows, die bereits im Print verwendete Fotos zweitverwerten und mit einem Sprechertext unterlegen, kommen beim Fachpublikum oftmals sogar noch besser an, vor allen Dingen, wenn sie klaren Nutzwert, zum Beispiel durch rezeptartig dargestelltes Wissen vermitteln.
Geringes Beschaffungs-Budget für die Technik
Zur Produktion dieser Audio-Slideshows benötigt die Fachredaktion ein gutes Mikrofon (ab 150 EUR), ein Audio-Aufnahmegerät (ab 200 EUR), ein Audio-Schnittprogramm (Audacity ist kostenlos) und die Produktionssoftware für die Slideshow selbst (Soundslides kostet ca 50 EUR). Die notwendigen Anschaffungen sind also durchaus überschaubar.
Um dramaturgisch ansprechende Audio-Slideshows produzieren zu können, empfiehlt sich der Besuch eines entsprechenden Seminars. Der Einarbeitungsaufwand im Umgang mit der Audio-Schnittsoftware liegt ohne ein solches Einführungsseminar erfahrungsgemäß bei drei bis vier Tagen, die Einarbeitung in die Produktionssoftware für die Slideshow selbst bei ein bis zwei Tagen.
Um die Slideshow dann nach Fertigstellung als Video im MP4-Format auf Youtube hochladen zu können, ist noch eine Software für die Formatwandlung notwendig. Bewährt hat sich hier wegen des geringen Einarbeitungsaufwandes Camtasia, das für ungefähr 200 EUR zu haben ist.
Redaktionen, die wöchentlich einen Fachblog-Beitrag veröffentlichen, sollten einmal im Monat dann auch ein neues Stück für den Youtube-Kanal produzieren. Oftmals werden die damit verbundenen Werbemöglichkeiten auch von den Anzeigenkunden durchaus nachgefragt und helfen damit budgetmäßig beim Ausbau der Social-Media-Aktivitäten.
Refinanzierungsmöglichkeiten sind gut
Auch Werbe-Tweets für Kunden werden bei entsprechender Vermittlung und Aufmachung von den Mitgliedern der Twitter Gemeinde durchaus akzeptiert, so dass die Social-Media-Aktivitäten fürs kleine Budget von Anfang an Refinanzierungsmöglichkeiten der ungefähr sechsstündigen Wochenarbeitszeit für die Bespielung der drei Kanäle Twitter, Blog und Youtube erschließen.
Redaktionen, die dann einen täglichen Fachblog-Beitrag posten, sollten den Rhythmus ihrer Veröffentlichungen auf Youtube entsprechend anpassen und von monatlich einem Beitrag auf wöchentliche Erscheinungsweise umstellen.
Nicht selten ergibt sich dann aus dem Leserkreis die Forderung, die Aktivitäten auch auf Plattformen wie Facebook, Google plus, Pinterest oder Slidehare auszuweiten. Die Präsenz auf Facebook oder Google plus erlaubt zwar, sehr viele Menschen zu erreichen und breitere Diskussionen über Fachthemen zu führen, erfordert aber auch einiges an Arbeit.
Täglich sollte man dafür mindestens eine Stunde in Rechnung stellen. Die Aufbauarbeiten, bis eine solche Präsenz auf Facebook oder Google plus steht, kommen natürlich hinzu. Wenn die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen, ist das unbedingt anzuraten.
Fehlt es hier noch an Manpower, dann empfiehlt sich die weniger aufwändige Erweiterung der Social-Media-Aktivitäten um Pinterest und Slideshare. Auf Slideshare werden beruflich interessante Präsentationen veröffentlicht. Anbieten würden sich dafür etwa die Präsentationen, die anlässlich einer vom Haus ausgerichteten Fachkonferenz, für den externen Vortrag eines Redakteurs oder für ein Leserseminar erstellt wurden.
Der Social-Media-Mix ist entscheidend
Social-Media-Nutzer erwarten zur Zeit noch nicht, dass eine Plattformen wie Slideshare regelmäßig bespielt wird. Immer wenn Präsentationen anfallen, können sie darüber mitvermarktet werden und zur Erhöhung der Reichweite der eigenen Medienmarke beitragen.
Ähnlich sieht es auf Pinterest aus. Dort werden gegenwärtig vor allen Dingen Fotos veröffentlicht. Die ohnehin gemachten Bilder für eine Reportage im Heft, Bilder von hauseigenen Veranstaltungen oder Bilder von Leserreisen sind von den Pinterest-Nutzer hochgradig akzeptiert.
Wichtig ist dabei in allen Fällen und auf allen Kanälen, dass die gedruckte Zeitschrift als zentrale Säule des gesamten publizistischen Angebots präsentiert wird. Die Social-Media-Erweiterungen und -Kommunikationen haben ein vordringliches Ziel: Sie sollen die Medienmarke als solide und seriöse Marke aufbauen. Und dafür müssen sämtliche Social-Media-Angebote immer auf die gedruckte Zeitschrift und deren Beiträge und Informationsangebote hinweisen und darauf rückbezogen werden.
Übersicht im Web-2.0-Dschungel
Social-Media-Angebote sind breit angelegt und haben sich enorm entwickelt. Da ist es nicht einfach, noch den Überblick zu behalten, welche Social-Media-Angebote es eigentlich in der Fachzeitschriften-Landschaft so gibt und wie arbeitsintensiv sie in ihrer Gestaltung sind.
• Online-Ticker (wenig Aufwand, aber täglich zu beschicken)
• Live-Ticker (wenig Aufwand, unregelmäßig von wichtigen Branchenveranstaltungen)
• Podcast (als Audio-Podcast, mittlerer Aufwand, einige technische Voraussetzungen)
• Vodcast (Video-Podcasts müssen professionell produziert sein, deshalb hoher Aufwand)
• Bildergalerie (kann unregelmäßig angeboten werden und bietet die Chance, Fotoproduktionen und Bilderzulieferungen zweitzuverwerten)
• Cartoon-Cast (hohe Aufwand mit enormer Wirkung)
• Audio-Slideshow (mittlerer Aufwand, eignet sich als Einstieg beim Aufbau eines eigenen Youtube-Kanals)
• Themen-Wiki, Microsites (hervorragende Leser-Blatt-Bindung mit sehr hohem Aufwand)
• Twitter-Kanal (geringer Aufwand, regelmäßiges Bespielen ist Voraussetzung)
• Weblog (als Fachblog kann er mit geringem Aufwand gestartet und ausgebaut werden)
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