Laudatio für Till Krause – Feature „Smartphone-Spionage – Das Abhörgerät in der Hosentasche“
gehalten anlässlich der Verleihung des Journalistenpreises Informatik am 3. Dezember 2013 in Saarbrücken
Wenn wir über solche Sendungen diskutieren, dann kommt ja ganz oft der Vergleich mit Orwells 1984, und gern werden Televisor und andere fiktionale Überwachungsinfrastrukturen bemüht, um das geneigte Publikum davon zu überzeugen, dass ja unsere Situation vor mehr als 60 Jahren schon hellsichtig geweissagt wurde. Solche Vergleiche hinken. Vergessen Sie Orwell – Orwell war gegen die allgegenwärtigen Überwachungsmöglichkeiten heutzutage harmlos
Wir müssen uns fragen: Warum wird heute überwacht? Mitunter, weil direkter Zwang ausgeübt werden soll. Das ist eher in Diktaturen der Fall. In unserer westlich aufgeklärten Welt wird hingegen überwacht, weil so die Daten gewonnen werden, die benötigt werden, um den einzelnen Menschen total prediktiv zu berechnen, also möglichst genau prognostizieren zu können, was er oder sie als nächstes tun wird.
Till Krause hat auf eine wichtige Überwachungsmöglichkeit aufmerksam gemacht. Dafür erhält er heute Abend den Journalistenpreis Informatik. Er hat für dieses Feature bereits andere Journalistenpreise erhalten: Suveillance-Studies-Preis für Journalisten, Ernst-Schneider-Preis der deutschen IHKs, Axel-Springer-Preis für junge Journalisten, und heute abend also der Höhepunkt – der Journalistenpreis Informatik
Warum Till Krause, warum dieses Feature?
Wer über digitale Rüstungsgüter – und dazu zählt Software für die Smartphone-Spionage und wer über Überwachung schreibt oder sendet, der muss Mut haben. Denn er hat es gleich mit mehreren Problemgruppen zu tun:
Dazu zählen zunächst einmal ängstliche Redakteure. Die gibt es nicht zur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die treffen wir auch in vielen Print-Redaktionen an. Dann haben wir es mit einem uninteressierten Publikum zu tun. Denn nicht wenige Menschen in Deutschland meinen, dass an der bereits realisierten weitgehenden Überwachung in unserem Land doch wenig auszusetzen sei. „Wer nicht zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“, lautet dann eine der vielfach zitierten Volksweisheiten.
Und wer etwas zu verbergen hat, der ist natürlich verdächtig. Selbst diejenigen Bürger, die noch ein gewisses kritisches politisches Differenzierungsvermögen aufbringen, schweigen oftmals beim Thema „Überwachung“. Das ist unangenehm, irgendwie schon, ja, aber, was kann man schon machen. Dem Thema fehlen einfach die Toten, die bei anderen Themen durchaus für einen Beachtungsschub und engagierte öffentliche Gegenwehr auf breiter Basis gesorgt haben.
Nicht einmal im Bundestagswahlkampf spielte das Thema eine Rolle. Die Schwarzen wollten das Thema weg haben, die Roten haben sich nicht an das Thema herangetraut, die Gelben wollte ihre unverbrüchliche Koalitionstreue nicht mit so einem Thema in Frage stellen lassen, die Grünen wollten die schwarze Option nicht durch so eine Thema gefährden und waren außerdem zu sehr Gutmenschen, um Überwachung wirklich so richtig abgrundtief schlecht zu finden. Bei den Linken war keiner im viel zu vielköpfigen Spitzenkandidatenteam so richtig zuständig. Außerdem hat man da mit Überwachung ja sehr eigene Erfahrungen. Und die Piraten hatten sich ja schon vor der Bundestagswahl selbst zerlegt und waren deshalb verhindert, dieses Thema aufzunehmen.
Nach der Bundestagswahl gab es noch einmal eine Chance, als herauskam, dass die Amerikaner doch wirklich das Handy der Kanzlerin abgehört hatten. Aber so ein Kanzlerinnen-Handy ist eben auch kein Toter, der einem politisch wichtigen Thema inklusive weitgehendem Kontrollversagen der politischen Kontrollgremien Gehör verschaffen könnte.
Sodann gibt es noch die findigen Juristen, die für die Überwachungsindustrie arbeiten. Sie drohen bei jeder Gelegenheit zur Berichterstattung über die guten Geschäfte der Hersteller von Überwachungswerkzeugen mit Unterlassung, einstweiliger Verfügung und natürlich Schadensersatz. Und in nicht wenigen Fällen haben sie Erfolg damit. Die Schere im Kopf von uns Journalisten wird durch derartige Aktivitäten ein Stückchen weiter (siehe auch die schon angesprochene Problemgruppe der ängstlichen Redakteure).
Last, but not least wären da noch die Sicherheitspolitiker mit ihren Überwachungsphantasien. Sie spielen damit gern der Überwachungsindustrie in die Hände, wechseln nach ihrer politischen Laufbahn auch schon einmal in den Aufsichtsrat eines Unternehmens der Überwachungsindustrie oder werden hier beratend tätig.
Insgesamt haben wir es beim Überwachungsthema also mit einem industriell-sicherheitsbehördlichen Komplex zu tun.
n Zuspielung
Gamma hat Til Krause in seinem Feature genannt. Das ist interessant, Reporter ohne Grenzen hat am 12. März, das ist der Welttag gegen Internet-Zensur, die IT-Sicherheitsfirmen Gamma, Trovicor, Hacking Team, Amesys und Blue Coat zu Feinden des Internet erklärt.
Diese Feinde des Internet machen gute Geschäfts mit Überwachung. Aber warum laufen diese Geschäfte eigentlich so gut?
Überwachung bietet einfach eine gute Grundlage für viele einkömmliche Geschäfte und zuträgliche Projekte in unterschiedlichen Bereichen. Unternehmen wollen dem Kunden dann etwas verkaufen, wenn er gerade produkt- oder dienstleistungsaffin ist – dafür muss er überwacht werden.
Die Polizei will vor dem Täter am Tatort sein. Das funktioniert nur mit ausgeklügelten Überwachungstechniken. Regierungen wollen wissen, was die Bürger denken. Dafür müssen sie überwacht werden. In Diktaturen geht es außerdem darum, nicht nur zu wissen, was die Bürger denken, sondern sie rechtzeitig zu identifizieren, wenn sie anfangen, oppositionell zu denken.
Wie sagte mir kürzlich ein hochrangiger Vertreter der Überwachungsindustrie, als ich ihn auf Exportgeschäfte seines Unternehmens in den Golfstaat Bahrain ansprach: Das sei notwendig, um politische Stabilität in der Golf-Region zu sichern. Denn oppositionelle Bestrebungen würden in der Regel ja zu politischer Instabilität führen und müssten deshalb „neutralisiert“ werden. Überwachungstechnik helfe dabei.
In der rechtsstaatlichen Demokratie hingegen werden bestimmte Feindbilder stark überzeichnet, um Überwachung zu rechtfertigen. „Terrorismusgefahr“ ist immer ein gutes Argument. Und Angst machen kann man der Bevölkerung geradezu ideal, wenn man darauf hinweist, dass ohne Überwachung dutzende von Attentaten stattgefunden hätten – bestimmt, zumindest wahrscheinlich, also zwei oder drei wären es dann doch ganz sicher gewesen.
Hat nicht Innenminister Friedrich kürzlich sogar ein Supergrundrecht auf Sicherheit festgestellt? Mit einem Supergrundrecht auf Sicherheit meinte der geschäftsführende Innenminister nicht zuletzt die Herrschaftsabsicherung eines Machtapparates- zu dem Nachrichtendienste geworden sind und der außer Kontrolle geraten ist.
Es geht bei Überwachung nicht nur um direkte Repression Andersdenkender – bei uns in Westeuropa nicht, in verschiedenen Diktaturen schon. Bei uns geht es um Datengewinnung durch Überwachung – auch durch den Spion in der Hosentasche Auf die Gefahren hat Till Krause aufmerksam gemacht mit seinem Feature, er hat das mit Kompetenz und dramaturgisch geschickt getan
Und bei der Entscheidung der Jury, dieses Feature über den Spion in der Hosentasche auszuzeichnen, hat auch die Hoffnung mitgespielt, durch solche Beiträge könne die Gefahr ein wenig gebannt werden. Bannen kann diese Gefahr nur der Bürger, der um Überwachung und Überwachungstechnik weiß. Der wachsame Bürger, der aufgeklärte Bürger, der mündige Bürger. Wir brauchen ihn, den mündigen Bürger, weil wir es bei Überwachung mit einem industriell-sicherheitsbehördlichen Komplex zu tun haben, der gefährlich ist und weil wir nicht nur in diesem Sommer gesehen haben, dass unsere Checks und Balances für eine wirksame Kontrolle nicht ausreichen.
Das hat auch mit einer in Deutschland noch immer sehr virulenten ideologischen Grundlage des Handelns von Sicherheitsbehörden und Sicherheitspolitikern zu tun, die der Meinung sind, nur der überwachte Bürger sei der anständige Bürger.
Horst Herold, ehemaliger Präsident des BKA, Sozialdemokrat und Polizist – sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, ich erwähne das ausdrücklich, dass Horst Herold Sozialdemokrat und Polizist gewesen ist, weil mir bei Diskussion des Überwachungsthemas von ihren Parteifreunden so gern CDU-Bashing vorgeworfen wird – der Sozialdemokrat und Polizist Horst Herold also hat das 1974 so auf den Punkt gebracht: „Zu unser aller Nutzen, die Polizei der Zukunft wird eine andere, höherstufige mit einer gesellschaftssanitären Aufgabe sein.“
An dieser gesellschaftssanitären Aufgabe arbeiten viele Unternehmen, Polizeien, Sicherheitspolitiker, und sie brauchen dafür Überwachungstechniken. Und wir brauchen dagegen Features wie das von Till Krause.
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