Vor eineinhalb Jahren, genau genommen am 13. April 2012, habe ich in diesem Blog darüber geschrieben, dass die FDP bei der Bundestagswahl 2013 fürchten müsse, an der 5-Prozent-Hürde zu scheitern. Jetzt ist genau das passiert!
Und nunmehr müssen zwei Fragen beantwortet werden:
1. Hat der Liberalismus in Deutschland überhaupt noch eine Chance?
2. Kann es der FDP gelingen, Liberale in Deutschland auf Dauer parteipolitisch zu organisieren?
Heike Göbel und Manfred Schäfers haben in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung darauf hingewiesen, dass die FDP von Guido Westerwelle nach der
Bundestagswahl 2009 fatale Fehler gemacht hat. Die Klientelpolitik für Hoteliers, der Einzug in das Entwicklungsministerium, der illiberale Umgang mit Kritikern der Euro-Rettungspolitik in der
eigenen Partei sind da nur wenige Beispiele.
Die FDP ist binnen vier Jahren von einer Programmpartei zur Sicherung individueller Freiheit in Verantwortung zu einem weit gehend inhaltsleeren und kompetenzfreien Verein des Taktieresn aus Koalitionsräson geworden. Wolfgang Münch hat auf Spiegel online zu Recht darauf hingewiesen, dass Guido Westerwelle, Philipp Rösler und Rainer Brüderle mit der Aufgabe "einen Beitrag für die Probleme des 21. Jahrhunderts" aus liberaler Sicht zu liefern, intellektuell überfordert waren. Diese intellektuelle Überforderung hat ihre Ursache darin, dass werthaltige und richtige Forderungen des Liberalismus vom Führungspersonal der FDP nicht mehr aus dem geistigen Grundlagen des politischen Liberalismus abgeleitet werden können.
Statt um liberale Inhalte geht es dann um Personaldebatten. In vielen Führungsgremien und bei vielen Führungskräften auf Landes-und Bundesebene kann ein politisches Handeln aus dem geistigen Wurzeln des wertgebundenen politischen Liberalismus überhaupt nicht mehr erkannt werden.
Nach der verlorenen baden-württembergischen Landtagswahl 2011 haben die Spitzen-Liberalen im Ländle zu sogenannten Regionalkonferenzen eingeladen, sie wollten dort mit ihren Mitgliedern reden, sie haben aber in inhaltlicher Hinsicht eigentlich nichts gesagt. Die erforderliche Rückbesinnung auf die Grundlagen des wertgebundenen politischen Liberalismus hat nicht stattgefunden.
Die Voraussetzungen der freiheitlichen Ordnung begründet der wertgebundene politische Liberalismus vom Konzept der sittlichen Würde her, dass dem einzelnen Selbstentfaltung in Verantwortung erlaubt. Das geht mit einer politischen Kultur der Forderung nach ständiger Aufklärung einher.
Von einer solchen politischen Kultur hat sich die FDP Lichtjahre entfernt. Aus diesem Grund konnte das bundes- und landespolitische Personal der FDP jahrelang keine Antworten auf die drängenden Probleme unserer Zeit finden. Auf reflektierende Linksliberale hat man da lieber nicht gehört. Die haben ja nur den Politikbetrieb mit seinr Anbindung dieser einst liberalen Partei an die strukturreaktionäre und verfilzte CDU gestört.
Der politische Liberalismus muss als prägende politische Grundlagenphilosophie der modernen Gesellschaften die Fragen nach der sozialen und ethischen Fundierung von Gesellschaft beantworten.
Dafür muss sich der politische Liberalismus in diesem Land neu organisieren. Nur dann kann er der reaktionären Flucht in die Unmündigkeit und dem Ausblenden der ethischen Dimension politischen
Handelns entgegentreten.
Machen wir uns nichts vor: die ständige Umsetzung der Freiheitsidee für alle Bereiche unserer Gesellschaft ist in der FDP auf der Strecke geblieben. Das hat massive Auswirkungen auf die
Bildungspolitik, das hat massive Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit, und das hat massive Auswirkungen auf die Sicherung individueller Freiheitsrechte. Das hat weiterhin massive Auswirkungen
auf eine verantwortete Sozial-und Wirtschaftspolitik, die sich den Forderungen eines ethischen pragmatischen Imperativ stellen muss.
Das abtretende Führungspersonal war mit dieser inhaltlichen Auseinandersetzung weitgehend überfordert. Und diese Gefahr der Überforderung bleibt bestehen.
Statt neuer Köpfe braucht die FDP eine Diskussion über wertgebundenen Liberalismus und muss von diesen Werten her Antworten in der Bildungspolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Sozialpolitik und in der Innenpolitik finden.
Zuletzt hatten große Teile der FDP-Führungsriege in der Geheimdienstaffäre dieses Sommers aus karrieristischen Nützlichkeitserwägungen sogar Bürgerrechte den Anforderungen einer völlig diffusen
so genannten Sicherheitspolitik geopfert.
Auch deshalb haben viele Liberale der FDP den Rücken gekehrt und werden dies auch weiterhin tun. Deshalb engagieren sich viele Liberale lieber in einer zivilgesellschaftlichen Gruppe und deshalb
suchen Liberale Wert gebundene Politikansätze außerhalb der FDP.
Nicht weniger FDP-Amtsinhaber haben die geistigen Grundlagen des politischen Liberalismus in ihrer Alltagsarbeit vergessen und verschüttet. Der Fehler und Bürger hat das gemerkt, und er hat es entsprechend honoriert.
Immer mehr Bürger fühlen sich zunehmend hilflos einem strukturreaktionären staatlichen Machtapparat ausgeliefert. FDP-Politiker haben sich an diesem Machtapparat beteiligt, statt ihn zu
kritisieren und Bürgerrechte zu sichern.
Andererseits muss der wertgebundene politische Liberalismus in dieser Republik organisiert sein, sonst droht auf Dauer eine Republik ohne Republikaner. Bürgerrechte werden zunehmend einfach
abgeschafft, Freiheitsrechte eingeschränkt, staatliche Machtapparate wie zum Beispiel Geheimdienste sind außer Kontrolle geraten.
Hier liegen große Herausforderungen und Aufgaben für den wertgebundenen politischen Liberalismus. Sonst droht, dass nicht nur wertgebundene Liberale sich in die politische Emigration begeben, sondern viele Bürger in die innere und äußere Emigration. In den nächsten Monaten muss sich entscheiden, ob der verfasste politische Liberalismus in Deutschland noch eine Chance hat. Ob er diese Chance in der FDP hat, das ist eine zweite nachgeordnete Frage. Auch die muss in den nächsten Monaten beantwortet werden.
Wer immer antritt, den politischen Liberalismus in Deutschland wieder zu organisieren, er muss von der grundlegenden Idee der liberalen frei als Philosophie, dem Konzept der sittlichen Würde, her argumentieren. Rösler & Co. waren damit tatsächlich überfordert. Lindner & Co. müssen diese Grundlagendiskussion führen, bevor ein neuer Anfang überhaupt gewagt werden kann.
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