In Dubai ist der Geist der Zensur aus der Flasche gelassen worden

Mein Kommentar zum Scheitern der Weltkonferenz über Internationale Telekommuniaktion in Dubai, gesendet in SWR2 am 15. Dezember 2012, zum Nachlesen, zum Nachhören geht es hier entlang:

 


http://swrmediathek.de/player.htm?show=93a15a00-4696-11e2-abbd-0026b975f2e6


 

Die Weltkonferenz über Internationale Teekommunikation in Dubai markiert einen Wendepunkt in der Internet-Verwaltung. Bisher ist das Internet eine ziemlich dezentrale Angelegenheit. Die technischen Internet-Standards heißen sehr zurückhaltend „Request for Comment“ – Aufforderung zur Kommentierung und werden von der Internet Society festgelegt. Die Internet-Verwaltung Icann kümmert sich die Vergabe von Internet-Protokolladressen und sorgt dafür, dass es Verwaltungsvorschriften gibt, die sicherstellen, dass alle Internet-Nutzer auch erreichbar sind und im Internet surfen, dort einkaufen oder Bankgeschäfte erledigen können. Internet Society und Icann sind zwar private Gesellschaften. Sie stehen aber unter Oberaufsicht der amerikanischen Regierung. Das soll langfristig geändert werden. Da waren sich alle Staaten der Welt auf dem Weltinformationsgipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2005 in Tunis einig. Passiert ist in dieser Hinsicht seither wenig, im Internet dafür um so mehr. Moderne Gesellschaften funktionieren nicht mehr ohne Internet. Bankgeschäfte, Stromversorgung, pünktliche Züge, Flugverbindungen – alles das klappt nicht mehr ohne Internet-Verbindungen. Ohne Internet können wir nicht einmal mehr telefonieren. Nachrichten und Kinofilme, Bücher und Zeitschriften beziehen immer mehr Menschen aus dem Internet. Sicherheitsforscher haben in Simulationen herausgefunden, dass fünf Tage ohne Internet ausreichen würden, um in westeuropäischen Gesellschaften einen Bürgerkrieg auszulösen. Vom Internet ging noch nie eine so große Gefahr aus wie heutzutage. Auf der UNO-Vollversammlung im Herbst 2010 haben mehr als 150 Staaten sich dazu bekannt, sogenannte digitale Waffen zu besitzen und sie bei Auseinandersetzungen auch einzusetzen. Mit solchen Digitalwaffen, wie Computerviren und anderer Schadsoftware, können ganze Länder vernichtet werden. Eine Rüstungskontrolle und mithin eine durch völkerrechtliche Verträge abgesicherte Regulierung des Internet sind also notwendig. Im Vorfeld der Telekommunikationskonferenz in Dubai war sogar die Rede von einer UNO-Behörde für die Abrüstung digitaler Waffen, in ihren Kontrollaufgaben vergleichbar mit der Internationale Atomenergiebehörde in Wien. Darüber sollte auf der Konferenz der Internationalen Fernmeldeunion, einer UNO-Organisation, diskutiert werden. Doch das ist gründlich misslungen. Die Internationale Fernmeldeunion ist in Dubai gleich mit dem Anspruch aufgetreten, die weltweite Regulierung des Internet insgesamt übernehmen zu wollen. Die Internet-Standards sollten Bestandteil der Internationalen Telekommunikations-Regulierung werden. Das wollte eine breite Mehrheit von Staaten verhindern. Viele westliche Demokratien sehen in einer solchen Regulierung des Internet durch die Internationale Fernmeldeunion eine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Denn Artikel 34 der Internationalen Telekommunikations-Regularien legt fest, dass jedes Land die private Kommunikation blockieren kann, wenn die nationale Sicherheit oder nationale Gesetze dies erfordern. Jede Kommunikation darf blockiert werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung oder der Moral zuwiderläuft. Das würde dann auch für Blogs, Mails, Online-Zeitungen und Zeitschriften gelten. Ein Freibrief für staatliche Internet-Zensur wäre das, so fürchten die Kritiker und wollen deshalb die Aufnahme der Internet-Regulierung in die Regularien der Fernmeldeunion verhindern. Russland, China und die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich dafür einsetzen, haben gleichzeitig auf der Telekommunikationskonferenz mehr staatliche Regulierung des Internet gefordert. Sie wollen die Internet-Kommunikation in ihren jeweiligen Ländern stärker kontrollieren und zensieren und dabei verhindern, dass diese Kontrollmaßnahmen durch Internet-Aktivisten zum Beispiel aus Westeuropa oder Nordamerika unterlaufen werden können. Ein deutscher Internet-Aktivist, der seinen Internet-Server zur Verfügung stellt, damit chinesische Oppositionelle sich ungehindert informieren können, soll sich durch sein Tun in seinem Land dann strafbar machen. So lautet die Forderung. Bei mehr einzelstaatlicher Kontrolle, die von allen Staaten akzeptiert werden muss, wären China, Russland und die Emirate auch bereit, auf eine Aufnahme der Internet-Kontrolle in die Telekommunikations-Regularien zu verzichten. Auf den Folgekonferenzen in Paris und Genf wird es also nicht mehr um Fragen der digitalen Rüstungskontrolle gehen, sondern um die Forderung nach mehr Zensur und staatlicher Kontrolle. Das ist das traurige Ergebnis der Weltkonferenz über Internationale Telekommunikation in Dubai.

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