Die Vorsitzende des Zweckverbandes Pattonville, in dem ich wohne, hat ihren Geschäftsführer wieder einmal einen seiner unanachahmlichen Briefe schreiben lassen, in dem darum "nachgesucht" wird (oder wie soll man Attribute wie "letztmalig" verstehen?), nicht weiter nach dem verschwundenen Geld zu fragen.
Der Brief des Geschäftsführer hatte einen breiten Empfängerkreis, dessen Mitgliedern er offenbar damit beweisen wollte, was für ein toller Verwaltungshecht er ist. Von Mitarbeitern der LBBW (ja, das ist dei Landesbank, gegen deren Leitungspersonal die Staatsanwaltschaft Stuttgart gerade ermittelt) über drei Oberbürgermeister bis hin zu zahlreichen Mitarbeitern unterschiedlicher Verwaltungen reicht der Empfängerkreis.
Hier meine Antwort, die ich genauso breit verschickt habe:
Zweckverband Pattonville/Sonnenberg
Frau Zweckverbandsvorsitzende
Ursula Keck
John-F-Kennedy-Allee 19/3
71686 Remseck
30. November 2012
Sehr geehrte Frau Keck,
das in Ihrem Auftrag von Herrn Girrbach mit Datum vom 22. November 2012 verfertigte Schreiben, das mich als elektronischer Brief im Portable Document Format am 29. November 2012 erreichte, beantwortet keine der in meinem Schreiben vom 19. Oktober 2012 gestellten Fragen. Ich lege dieses Schreiben deshalb noch einmal bei und bitte um Beantwortung, nicht um Vernebelung der Sachverhalte.
Herr Girrbach schreibt:
„Bereits im Jahr 2010 wurde durch die Gemeindeprüfungsanstalt festgestellt, dass Sollstellungsbeträge, welche Forderungen für Hausanschlusskosten mehrerer Zahlungspflichtiger zusammenfassten, nicht beigetrieben wurden.“
Dazu ist festzustellen:
Acht Jahre, nachdem diese Beitreibung nicht erfolgte, ist dies festgestellt worden. Somit waren aus Verjährungsgründen bereits zu diesem Zeitpunkt Ermittlungen in Zusammenhang mit den §§ 266, 331, 332, 333 StGB nicht mehr möglich. Die politische Aufklärung wurde und wird behindert. Man muss die Frage stellen, wer davon profitiert, dass hier vertuscht wurde und wird.
Weiterhin erläutert Herr Girrbach dann:
„Der Übertrag dieser Forderungen erfolgte gesammelt, da das Buchungssystem von „Access“ auf das kommunale Verfahren FIWES umgestellt wurde. Diese gesammelte Erfassung hatte den Nachteil, dass keine automatische Mahnung und Beitreibung der einzelnen Fälle möglich war.“
Dazu ist festzustellen:
Aha, war dann auch keine manuelle Mahnung und Betreibung mehr möglich? Warum ist diese unterblieben? Soweit mir bekannt ist, erlaubt Fiwes durchaus ein automatisches Mahnwesen. Vermutlich hat die Verwaltung den entsprechenden Menuepunkt in der Software nicht gefunden.
Dann folgt eine verblüffende Anmerkung des Herrn Girrbach:
„Da es sich also nicht um Vorgänge handelte, die in ihrem Ablauf einzelnen Firmen zuzuordnen sind, erübrigt sich die Beantwortung Ihrer Fragen zu diesem Thema.“
Darauf kann ich nur humoristisch fragen:
Wollen Sie mir wirklich erzählen, Sie könnten Gebühren für einen Abwasseranschluss nicht mehr einzelnen Bauherren oder Bauträgern zuordnen? (btw: Gibt es jemanden im Zweckverband, der/die eine Verwaltungsausbildung absolviert hat? Wenn ja, fragen Sie dort einmal nach.)
Dann folgt eine hübsch formulierte Passage, in der sich Herr Girrbach wie folgt einlässt: „
Im zweitletzten Absatz Ihres Schreibens erwähnen Sie ‚Verschwundene Gelder in den Jahren 2008, 2009 und 2010’. Es ist festzustellen, dass es beim Zweckverband keine verschwundenen Gelder gibt. Vielmehr handelt es sich um Buchungsdifferenzen, bei denen der nachgewiesene Kassenbestand höher ist als die darstellbaren Buchungszahlen.“
Hier empfehle ich einen Blick in die Prüfungsberichte des Fachbereichs Revision der Stadt Ludwigsburg. Da ich weiß, dass sich die Zeckverbandsverwaltung damit schwer tut, zitiere ich die wesentlichen Aussagen nachfolgend:
Der Prüfungsbericht des Fachbereichs Revision der Stadt Ludwigsburg für das Jahr 2005 vermerkt auf Seite 15:
„Folgende ‚Offene Reste HH/PV’ werden ausgewiesen:
2.1 HHSt. 4.8199.11110.8: | - 9.030,96 |
2.2 HHSt. 4.8199.11110.2: | - 11.434,96 (Zahlwegsumbuchungen) |
2.3 HHSt. 4.9100.100100.4: | - 69.484,25 (Zahlwegsumbuchungen) |
2.4 HHSt. 4.9100.500100.9: | - 14.256,53 (davon Zahlwegsumbuchungen -5.225,57) |
Der Prüfungsbericht des Fachbereichs Revision der Stadt Ludwigsburg für das Jahr 2006 vermerkt auf Seite 12:
„Durch Beschluss des Zweckverbandsvorsitzenden wurde festgelegt, die ‚Offene Reste Giro HH/PV’ der Jahresrechnung 2004 – 2007 derzeit nicht aufklären zu lassen. Nachstehende Offene Reste und Zahlwegsberichtigungen wurden gebildet bzw. vorgenommen:
2.1 HHSt. 4.8199.11110.8: -16.471 Euro (Offene Reste 2004-2006)
2.2 HHSt. 4.8199.11110.8: -1.310,07 Euro (Offener Rest Zahlwegsumbuchungen)
2.2 HHSt. 4.8199.11110.2: -1.215,17 Euro (Zahlwegsumbuchungen)
2.3 HHSt. 4.9100.100100.4: -1.118,03 (Zahlwegsumbuchungen)
2.4 HHSt. 4.9100.500100.9: -100.741,69 Euro (Zahlwegsumbuchungen)
2.5 HHSt. 4.9100.500100.9: -1.310,07 Euro (Offener Rest Zahlwegsumbuchungen)
2.6 HHSt. 4.9100.500100.9: -19.091,59 (Offene Reste 2004-2006)
Der Prüfungsbericht des Fachbereichs Revision der Stadt Ludwigsburg für das Jahr 2007 vermerkt auf Seite 27:
„Im UA 4.8199 und 4.9100 werden offene Reste ausgewiesen. Hierbei handelt es sich teils um Korrekturbuchungen im Zusammenhang mit Zahlwegsumbuchungen und teils um nicht aufgeklärte Buchungsvorgänge.“
Dazu stelle ich fest:
Nicht aufgeklärte Buchungsvorgänge und ein Minus im sechsstelligen Bereich bei den sog. „Offenen Resten“ haben mich während der vergangenen Monate bereits mehrfach bei der Zweckverbandsverwaltung nachfragen lassen, wo denn diese Minusbeträge geblieben sind und was die politische Leitung des Zweckverbandes tun will, um die nicht geklärten Buchungsvorgänge, die die Revisoren festgestellt haben, aufzuklären.
Die Antwort war stets die gleiche: Die Verwaltung will diese Vorgänge nicht aufklären.
Einigen wir uns der Einfachheit halber doch auf folgendes Verfahren: Solange Sie mir nicht belegen können, wo die Minusbeträge, die als Offene Reste ausgewiesen werden, geblieben sind, solange Sie sich weigern, die „nicht aufgeklärten Buchungsvorgänge“ transparent nachzuvollziehen, solange gehe ich von den Minusbeträgen der offenen Reste als verschwundenem Geld aus.
Mein Tipp: Klären Sie die dubiosen Buchungsvorgänge auf, dann können wir alle nachvollziehen, was da schief gelaufen ist. Bisher werfen Verwaltung und politische Leitung hier nur mit Nebel.
Dann endet Autor Girrbach überraschend mit der Schlusspointe:
„Ich fordere Sie deshalb letztmalig auf, die falsche Behauptung, beim Zweckverband würden Gelder fehlen, nicht mehr zu wiederholen. Rechtliche Schritte behält sich der Zweckverband jedoch vor.“
Dazu zwei Anmerkungen:
1:Es zeichnet den Rechtsstaat gerade aus, dass rechtliche Schritte jederzeit möglich sind. Behalten Sie sich solche nicht nur vor, sondern ergreifen Sie diese, damit diese unappetitliche Finanzaffäre endlich aufgeklärt werden kann.
2: Ich bin kein Freund von Sprachgirlanden, sondern rede und schreibe Klartext. Deshalb heißt eine Mülldeponie bei mir auch „Mülldeponie“ und nicht „Entsorgungspark“. Und so nenne ich Offene Reste mit sechsstelligen Minusbeträgen und in diesem Zusammenhang „nicht aufgeklärte Buchungsvorgänge“ auch nicht „Buchungsdifferenzen“, sondern „verschwundene Gelder“. Ob diese Gelder im Verwaltungschaos des Zweckverbandes verschwunden sind oder auf anderen wundersamen Wegen, lässt sich erst sagen, wenn die Buchungsvorgänge aufgeklärt sind. Bis dahin muss sich diese Zweckverbandsverwaltung den Vorwurf gefallen lassen, dass Gelder verschwunden sind. Wenn Sie dies durch rechtliche Schritte klären lassen wollen, kann ich Sie dazu nur ermuntern.
Mit freundlichen Grüßen
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weiter_so (Montag, 07 Januar 2013 17:52)
Weiter so! Nicht nachgeben! Danke für den Kampf gegen die Korruptionsmühlen der deutschen Politiker. Die korrupte CDU muss an den Pranger gestellt werden...
polor (Montag, 07 Januar 2013 21:36)
Vielen Dank für Ihren unermüdlichen Kampf gegen diesen Sumpf! Dank Journalisten wie Ihnen kommt Transparenz in diesen Filz.
Grundliberaler (Dienstag, 08 Januar 2013 12:37)
Ich habe da so einen Verdacht, wo die verschwundenen Gelder geblieben sind. Wenn der zutrifft, sind Politiker wie die OBs Keck und Schlumberger und Beamte wie Girrbach natürlich an einer Aufklärung nicht interessiert.
Machen wir endlich Schluss mit dieser Abzocke!
Bürger 08/15 (Dienstag, 08 Januar 2013 12:42)
Ich hasse korrupte Politiker. Klären Sie auf! Recherchieren Sie weiter! Dieser Sumpf wie in Pattonville ist unerträglich.
Irene (Mittwoch, 09 Januar 2013 12:35)
Dran bleiben! Aufklären! Unbequeme Fragen stellen! Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Keck und Schlumberger haben doch längst erkannt, dass da Sumpfmist gelaufen ist. Jetzt noch ein kleines Stück, und die müssen das auch endlich zugeben. Da nützen denen ihre Nebelwerfer nichts mehr.