Zur Diskussion um die Neufassung der Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit)
im Plenum des Deutschen Presserates am 26. September in Berlin
Sie sehen mich heute mit demselben verständnislosen Kopfschütteln, das von mir Besitz ergriffen hat, als ich den vom Ausschuss vorgelegten Entwurf zur Neufassung von Ziffer 8 erstmalig gelesen habe. Der Presserat bleibt mit diesem Entwurf weit hinter seinen Ansprüchen als medienethische Instanz zurück, und das hat seine Ursache vermutlich darin, dass die rechtspositivistische Position der im Ausschuss tätigen Juristen eine medienethische Betrachtung überdeckt oder erst gar nicht zugelassen hat.
Hier werden zwei Rechtsgüter ins Feld geführt und gegeneinander mehr oder weniger schematisch abgewogen. Es geht hier um das öffentliche Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung und der Privatsphäre und dem Recht auf Anonymität einer Person. In dieser vorgelegten schematistischen Betrachtungsweise kann dieser Entwurf keine medienethische Orientierung in der journalistischen Alltagspraxis geben, weil er die ethischen Prinzipien für eine solche in sich gerechtfertigte Abwägung nicht reflektiert.
Dieser Presserat hat vor fünf Jahren einmal festgestellt, dass die publizistischen Grundsätze die Berufsethik der Presse konkretisieren. Hier aber wird die Berufsethik außer acht gelassen, stattdessen wird eine rechtliche Abwägung vorgenommen. Die Ableitung jeweils des Rechtes auf Privatsphäre und auf Anonymität sowie des Rechtes der Öffentlichkeit auf eine identifizierende Berichterstattung aus der sittlichen Würde des Menschen sind einfach unterblieben.
Vor fünf Jahren war der Presserat an diesem Punkt deutlich weiter, als er feststellte, dass das Kriterium für die ethisch gebotene Berichterstattung der Umgang mit dem konkreten Menschen als Zweck an sich und eben nicht als bloßes Mittel sein muss. Diese Objektformel muss in Ziffer 8 eingearbeitet werden. Denn die Argumentationen, die im Vorfeld unserer heutigen Plenumsveranstaltung hierzu zu hören waren und entweder rein etatistisch-legalistisch angelegt oder von Befindlichkeiten und ausschließlich subjektiven Erfahrungen sich leiten ließen, können hier natürlich nicht überzeugen.
Wenn also von den Kollegen und sogar aus den Chefredaktionen zu hören ist, sie wünschen sich einen anwendbaren Pressekodex, so heißt dies in erster Linie, dass sie eine nachvollziehbare ethische Argumentation und Begründung wünschen. Warum der Presserat an diesem Punkt keinen befriedigenden Zugang zum medienethischen Diskurs und zur ethischen Herleitung und Abwägung findet, weiß ich nicht. Ich stelle nur fest, dass dieser Zugang bisher nicht ausreichend gegeben ist.
Wir haben im Laufe des Diskussionsprozesses mit Juristen, Chefredakteuren und Verlegern diskutiert, ein Medienethiker ist nicht eingeladen worden. Die offensichtlich bestehenden Berührungsängste mit medienethischen Argumentationen sind für den Presserat gefährlich. Wir sollten damit aufhören. Und wenn dann sogar argumentiert wird, eine saubere medienethische Herleitung sei nicht immer leicht verständlich formuliert, dann sollten wir Journalisten im Presserat unseren Job ordentlich machen und diese Herleitung verständlich formulieren. Dass juristische Argumentationen per se leichter verständlich seien, halte ich übrigens für eine Berufslegende von Verlagsjuristen.
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