Blogs verändern die Politik. Wo früher Korruption und andere Skandale unter den Teppich gekehrt wurden, klären heute Aktivisten mit ihren Blogs auf. Wo früher Kommunalpolitik in übelriechenden Hinterzimmern ausgeklüngelt wurde, muss sie sich heute immer stärker öffentlich verantworten. Bestimmten politischen Kleindarstellern ist das natürlich überhaupt nicht recht. Und die versuchen mit allen möglichen – auch rechtlichen – Kniffen, ihnen unliebsame Blogs zu verhindern. Eine ganze Branche von Advokaten lebt inzwischen davon.
In meinem Blogbeitrag vom 26. April ging es um die verschwundene Million in Pattonville. Die öffentliche Diskussion hat dafür gesorgt, dass diesem Finanzskandal nun nachgegangen wird und er kann nicht einfach unter der Decke gehalten werden. Das passt natürlich denen in der Verwaltung nicht, die für diesen Finanzskandal verantwortlich sind. Also beaufragten sie einen Rechtsanwalt, einen Maulkorb für den Blogger zu basteln.
Der Anwalt machte, was Anwälte in solchen Fällen zu tun pflegen: Er setzte einen Schriftsatz auf. An sich müsste man zu dem wenig intelligent verfassten immerhin vierseitigen Schriftsatz nicht viel sagen, außer: Ich äußere mich nicht zu Advokaten-Schriftsätzen, die an der Grenze zur Einlassfähigkeit sind.
Doch den Schriftsatz, den Thomas Fuhrmann im Auftrag des Zweckverbandes Pattonville/Sonnenberg geschrieben hat, sollte man sich näher anschauen. Denn hier wird nicht nur deutlich, wie weit entfernt von der Wertewelt des Grundgesetzes diese aus öffentlichen Mitteln hoch alimentierten Verwaltungsinsassen sind, es wird vor allen Dingen deutlich, wie unglaublich unfähig in der öffentlichen Verwaltung oft gearbeitet wird.
Und so kommen wir zum Schriftsatz:
Thomas Fuhrmann firmiert in seinem Briefbogen nicht nur als Rechtsanwalt, sondern auch als Dipl.-Verwaltungswirt. Das wollen wir nicht gegen ihn verwenden. Sein Schreiben vom 9. Mai 2012 beginnt er mit der Feststellung:
„Grundsätzlich ist zunächst festzustellen, dass es dem Zweckverband Pattonville/Sonnenberg, vertreten durch die Zweckverbandsvorsitzende Frau Ursula Keck, keineswegs um Geheimhaltung des Prüfberichts zur Feststellung der Jahresabrechnung 2005 geht, sondern im Gegenteil um bestmögliche Aufarbeitung und Aufklärung.“
Aha, deshalb hat Frau Keck den Prüfbericht wohl auch fünf Monate unter der Decke zu halten versucht. Außerdem wollen wir doch bitte nicht vergessen, dass sie als Vorsitzende und zeitweise als stellvertretende Vorsitzende seit 2007 für dieses Buchhaltungsdesaster mit verantwortlich ist. Frau Keck ist die Diskussion dieses Prüfberichts unangenehm, sie will sie verhindern. Das zeigte sich am Redeverbot für Beiräte, das sie in der Zweckverbandsversammlung am 14. Mai einfach mal so als Vorsitzende verfügte. Der Wille zur Aufklärung sieht anders aus, Frau Keck. Bei Ihnen habe ich bisher nur den Willen zur Vertuschung wahrgenommen.
Im folgenden erinnert mich der Herr Advokat, dass ich „ehrenamtlich im Sinne der Gemeindeordnung des Landes Baden-Württemberg tätig“ sei. Danke Herr Anwalt, wenn man sich ansieht, wie die Frau Oberbürgermeisterin hier herumrüpelt, könnte man daran zweifeln.
Dunkel bleibt der Sinn des nachfolgend von Anwalt Fuhrmann Getexteten:
„Bereits Ihre Äußerung gegenüber der Zweckverbandsvorsitzenden Frau Keck mit Schreiben vom 20. April 2012, dass der Zweckverband Pattonville/Sonnenberg einen Rechtsanwalt mit der Beauftragung von Medienanfragen, beauftragt habe, lässt erkennen, dass Ihnen die Trennung Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für den Zweckverband Pattonville/Sonnenberg und Ihrer journalistischen Tätigkeit nicht bewusst ist.“
Wollen Sie Zeilen schinden, weil Sie pro 38 Zeichen bezahlt werden, oder was soll das, Herr Fuhrmann? Ich habe mich in der Tat darüber lustig gemacht, dass Frau Keck sich offenbar ein Vorbild am ehemaligen Bundespräsidenten Wulff genommen habe und Medienfragen von Ihnen als Anwalt beantworten lässt. Was hat das mit der Unterscheidung meiner hauptamtlichen journalistischen Tätigkeit von meiner ehrenamtlich kommunalpolitischen zu tun? Sie sind mir hier ein wenig zu sinn- und inhaltsfrei.
Doch Sie haben natürlich etwas anderes im Sinn. Sie wollen einen Maulkorb für alle in der Kommunalpolitik ehrenamtlich Tätigen basteln. Aber das machen Sie so miserabel, dass man es eigentlich nicht ernst nehmen kann. Doch die böse Absicht dahinter muss man ernst nehmen.
Sie schreiben: „Hinzu kommt, dass in § 17 Abs. 1 Gemeindeordnung ausdrücklich die Verschwiegenheitspflicht geregelt ist, d.h. dass Sie über alle Angelegenheiten, die Ihnen amtlich bekannt geworden sind, Verschwiegenheit zu bewahren haben, sofern dies gesetzlich vorgeschrieben ist, besonders angeordnet wurde oder in der Natur der Sache begründet liegt. Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich sowohl auf die Sachlage als auch auf Äußerungen zur Sache oder zum Beschlussergebnis.“
Da gibt es ja die alte Juristenweisheit, ein Blick ins Gesetz mache schlauer. Der von Rechtsanwalt Fuhrmann genannte § 17 ist überschrieben mit „Pflichten ehrenamtlich tätiger Bürger“ und in Abs. 1 lesen wir: „Wer zu ehrenamtlicher Tätigkeit bestellt wird, muss die ihm übertragenen Geschäfte uneigennützig und verantwortungsbewusst führen.“
Meine Verantwortung und Uneigennützigkeit, lieber Herr Rechtsanwalt, gebietet es mit, das Millionenloch in Pattonville aufzuklären. Denn da geht es um Steuergelder. Stattdessen versuchen Sie hier, einen Maulkorb zu konstruieren, dem die Gemeindeordnung gerade nicht haben will. Im Gegenteil: Die Gemeindeordnung gebietet Öffentlichkeit als Prinzip und lässt die Nicht-Öffentlichkeit nur als Ausnahme zu. Dass der Beirat beispielsweise den Haushaltsplan in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt hat, verstößt klar gegen die Gemeindeordnung. Werfen Sie mal einen Blick in § 81.
Vollends absurd wird es dann, wenn Fuhrmann schreibt: „Die Angelegenheit Feststellung der Jahresrechnung 2005 wurde bislang nur in nichtöffentlicher Sitzung der Verbandsversammlung am 5. Dezember 2011 behandelt (vgl. § 35 der Gemeindeordnung). Darüber hinaus handelt es sich um eine Gebührenangelegenheit, weshalb insoweit auch §30 Abgabenordnung zu berücksichtigen ist. Es ist somit sämtlichen Beteiligten untersagt, sich derzeit zu dieser Angelegenheit öffentlich zu äußern, d.h. auch der Prüfbericht darf bis zur öffentlichen Behandlung nicht öffentlich ‚behandelt’ werden.“
Tja, das hätten Sie wohl gern, Herr Rechtsanwalt, respektive Frau Keck, damit Sie die peinlichen Fehler (oder war es mehr als nur ein Fehler?) wegdrücken können.. Auf der Tagesordnung der Verbandsversammlung war die Jahresrechnung im öffentlichen Teil ausgewiesen. Im Lauf der Sitzung wurde daraus eine nicht-öffentliche Behandlung, weil es dem damaligen Vorsitzenden Karl-Heinz Schlumberger zu peinlich wurde. Weil der Punkt für die öffentliche Sitzung vorgesehen war, wurde die Vorlage auch als öffentliche Vorlage versandt. Erst viel später sollte aus der öffentlichen Vorlage eine nicht-öffentliche Vorlage werden. Aber die einmal ausgedrückte Zahnpasta kriegt man nicht wieder in die Tube zurück. Ist eine Vorlage einmal öffentlich, ist sie eben öffentlich. Und aus dieser Vorlage habe ich zitiert. Die Prüfberichte 2005 bis 2007 wurden als Anlage zur öffentlichen Vorlage für die Sitzung der Verbandsversammlung am 14. Mai 2012 verschickt. Damit waren auch diese Prüfberichte öffentlich.
Dann geht es aber endlich gegen den Blogbeitrag. Fuhrmann schreibt: „In Ihrem Blog unter www.melchering.de vom 26. April 2012 mit der Überschrift ‚Die verschwundene Million’ erwähnen Sie nicht nur Unterlagen, die Sie als ehrenamtlich Tätiger erhalten haben, vielmehr zitieren Sie hieraus bzw. kommentieren diese. Dies ist bereits wegen der dargelegten Verschwiegenheitspflicht unzulässig.“
Das es die von Ihnen schwurbelig konstruierte Verschwiegenheitspflicht so nicht gibt, hatten wir ja schon. Merke: die Kommentierung der Details dieses unglaublichen Finanzskandals nicht nur zulässig, sie ist sogar dringend geboten. Also Fuhrmann, ich rat euch drum: zuerst collegium logicum. Dann hätten Sie mir diesen Unfug erspart. Übrigens die korrekte URL lautet: www.welchering.de
Dann gibt der Herr Rechtsanwalt ganz großes Kino, wenn er schreibt: „Wir weisen Sie darauf hin, dass eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht mit der Ablehnung einer ehrenamtlichen Tätigkeit sanktioniert werden kann. Darüber hinaus bestehen Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche und es kann sogar eine strafbare Handlung gemäß §203 Abs 2 StGB in Betracht kommen.“
Lieber Herr Anwalt, da fehlt nur noch, dass Frau Keck die nächste Beiratssitzung mit den Worten eröffnet: Ich sehe einen Abgrund von Landesverrat! Das hat nämlich Franz-Josef Strauß in der Spiegelaffäre so getan. Ich fühle mich geehrt, hier mit demselben (absurden) Vorwurf konfrontiert zu sein wie Conrad Ahlers. Immerhin Paragraph 203 des Strafgesetzbuches, das ist ja mal was. Ach, hätten Sie doch auch in diesem Fall mal ins Gesetzbuch geschaut, Sie hätten sich nicht blamiert, und mir wäre Ihr vierseitiges – in teilweise miserablem Deutsch verfasstes – Pamphlet erspart geblieben.
§ 203 des Strafgesetzbuches ist überschrieben mit „Verletzung von Privatgeheimnissen“,und in Absatz 2 lesen wir: „ Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als 1. Amtsträger, 2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, 3.Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt, 4. Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates, 5. öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder 6. Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.“
Ihre Auftraggeberin würde also aus dem Finanzskandal, den „fehlgeleiteten“ Buchungen, dem nicht auffindbaren Geld ein Privat- oder Geschäftsgeheimnis machen. Ich kann das verstehen, denn dann kann man diesen Skandal wegmauscheln. Immerhin sind gröbste Fehler in den Jahren 2002, 2003, 2005, 2006 und 2007 nachgewiesen worden.
Seit 2002 habe ich immer wieder auf eine Prüfung gedrängt, weil ich es seltsam fand, dass die Fertigstellung der Jahresrechnung im Schnitt um fünf Jahre verschleppt wurde. Und jetzt möchten die Verbandsvorsitzenden sich aus der öffentlichen Verantwortung stehlen, indem sie den Millionenskandal für geheim erklären. Da sage ich nur: Eine Banane für Frau Keck und ihren Anwalt Thomas Fuhrmann.
So nimmt es natürlich nicht wunder, dass Advokat Fuhrmann den Maulkorb noch ein wenig enger ziehen will, wenn er schreibt: „Unabhängig von Ihrer Verpflichtung als ehrenamtlich Tätiger zur Verschwiegenheit, haben Sie es auch deshalb zu unterlassen, sich zur Sachlage … spekulativ zu äußern, weil dies ein treuwidriges Verhalten darstellt.“
Aufgepasst Staatsbürger Fuhrmann: Als kommunalpolitischer Mandatsträger bin ich verpflichtet, Schaden vom Gemeinwesen zu wenden. In fünf Haushaltsjahren sind grobe Fehler passiert. Keiner weiß, wo das verschwundene Geld geblieben ist. „Irgendwie falsch verbucht, aber im Prinzip doch da“, das reicht mir als Antwort nicht. Deshalb stelle ich Fragen. Das sind Fragen, die den Zweckverbandsverantwortlichen natürlich unangenehm sind. Denn sie tragen Verantwortung für diesen Finanzskandal. Ich frage solange, bis das Bubenstück aus Pattonville aufgeklärt ist.
Doch da tut Fuhrmann den nächsten Streich: „Die Meinungsäußerung wird jedoch bei ehrenamtlich Tätigen dahingehend eingeschränkt, dass grundsätzlich spekulative Thesen nicht aufgestellt werden dürfen, die den Interessen der Körperschaft des öffentlichen Rechts zuwider laufen.“
Dass der Herr Anwalt hier auf einen Gesetzesverweis verzichtet, hat einen guten Grund. Es gibt nicht nur keine juristische Grundlage für diese absurde Forderung nach Einschränkung der Meinungsfreiheit, sie läuft geradewegs dem Grundgesetz zuwider. Mein lieber Fuhrmann, ich schenke Ihnen mal bei Gelegenheit eine Ausgabe des Grundgesetzes, die Lektüre lohnt sich.
Noch ein letzter Absatz aus der Feder des Vorstadtanwalts: „Das öffentliche Anheizen einer Korruptionsdiskussion mit dem Erwähnen eines Anfangsverdachts einer Straftat ist durchaus geeignet, die Interessen des Zweckverbandes Pattonville/Sonnenberg zu beeinträchtigen. Auch insoweit verstoßen Sie als ehrenamtlich Tätiger gegen Ihre Treuepflichten gegenüber dem Zweckverband Pattonville/Sonneberg.“
LOL – mehr kann man kaum dazu sagen.
Im Ernst, Sie Schriftsatzverfasser, über 100.000 Euro sog. Offene Reste sind nicht aufgeklärt, fast 900.000 Euro sind ohne Genehmigung zuviel ausgegeben worden, an der fehlenden Million wird zwar rumgerechnet, was das Zeug hergibt, und zwar mit der Bekanntgabe wöchentlich neuer Wasserstände, sprich Differenzen, aber es wurde bisher nichts nachvollziehbar belegt, die Gemeindeprüfungsanstalt stellt für 2002/2003 fest, dass die Verwaltung Gebühren und Beiträge nicht verfolgt hat usw. usw. usw.... Und da wollen Sie mir wirklich damit kommen, dass ich gegen nicht näher definierte Treuepflichten verstoße, wenn ich hier Aufklärung fordere? Guter Mann, so weit darf doch selbst ein Vorstadtanwalt wegen ein paar Euro nach BRAGO nicht gehen.
Aber wahrscheinlich sind Sie einfach nur übel auf der Tastatur abgerutscht.
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Martin (Sonntag, 03 Juni 2012 16:14)
Das ist typisch für solche Verwaltungstypen. Nicht beeindruekcn oder sogar entmutigen lassen!!!
maier- (Sonntag, 03 Juni 2012 20:24)
Staatsanwaltschaft einschalten schnellstens.
Brüder im Geiste (Dienstag, 05 Juni 2012 15:54)
Ich bewundere Sie ein weiteres Mal für Ihre Courage und Hartnäckigkeit. Ich denke, Sie haben nicht nur die drei Kommentatoren Ihres Blogs als "Brüder im Geiste". Der Sumpf in Remseck ist leider nicht auszutrocknen, weil die Verantwortlichen "Deckung von ganz oben" haben!
Wie sagte doch der frühere Regierungspräsident vor Jahren anlässlich der Einweihung der Sportanlagen Regental zu mir: "Lass' doch den armen Bürgermeister in Ruhe"! Ich rätsle noch heute, wie das Wort "arm" gemeint war; finanzielle Armut kann bei dem hohen Salär von Bürgermeistern damit wohl nicht gemeint gewesen sein!