Warum die FDP gerade scheitert

Ein Hilfe- und Weckruf (im Anschluss an Karl-Hermann Flach)

Die in der FDP parteipolitisch organisierten Liberalen sind mutlos geworden und spüren gleichzeitig eine Sehnsucht nach ethisch begründeten politischen Positionen aus liberaler Weltanschauung.

 

Einige engagierte Liberale verabschieden sich in Richtung Piratenpartei, andere in die politische Taten- und Hilflosigkeit!

 

Im nächsten Jahr müssen selbst wir im im liberalen Stammland eines Carl von Rotteck fürchten, an der 5-Prozent-Hürde zu scheitern. Die FDP als Bürgerrechtspartei, als liberale Bildungspartei, als Freiheitspartei in der Tradition eines Philipp Jakob Siebenpfeiffer, als Partei des sozialen Ausgleichs in der Marktwirtschaft, den wir mit den Freiburger Thesen nachdrücklich als politisches Programm umgesetzt haben, die FDP als Programmpartei zur Sicherung individueller Freiheiten in Verantwortung ist zu Teilen zu einer Partei des Taktierens aus Koalitionsräson geworden und hat die programmatische Basis, die notwendig ist, um Regierungsverantwortung zu übernehmen, im bundespolitischen Tagesgeschäft zu weit preisgegeben. Dies ist kein irreversibler Prozess, aber wir müssen ihn umkehren wollen.

 

Dieser Wille ist zur Zeit viel zu schwach ausgeprägt.

 

Die aktuelle Grundsatzdiskussion geht prinzipiell in die richtige Richtung. Aber es besteht die Gefahr, dass sie von Teilen „Boy-Group-Fraktion“ innerhalb der Partei als bloße Alibi-Diskussion betrieben wird und von vielen Bürgern als Versuch der Liberalen verstanden wird, eine tödliche Erkrankung mit „weißer Salbe“ bekämpfen zu wollen.

 

Der zu schnell und zu wenig reflektierte „Wachstums-Begriff“ gibt ein gutes Beispiel dafür, dass auch in den aktuellen Entwürfen des neuen Programms nicht ausreichend von den Grundlagen eines wertgebundenen politischen Liberalismus her gedacht wurde.

 

Deshalb darf es auch nicht wundern, dass viele Liberale der FDP den Rücken kehren, sich lieber in einer zivilgesellschaftlichen Gruppe engagieren oder wertgebundene liberale Ansätze bei neuen politischen Bewegungen suchen, die aus den zivilgesellschaftlichen Gruppen entstanden sind.

 

Nicht wenige engagierte Liberale haben mir gegenüber in persönlichen Gesprächen ihren Wechsel zur Piratenpartei damit begründet, dass sie hier eine liberale Bewegung finden, deren Mitgleider zwar teilweise ziemlich unreflektiertes Zeug in die Welt setzen, aber authentisch Freiheit leben und verwirklichen wollen.

 

Die FDP hat kein Monopol auf politisch organisierten Liberalismus. Schlimmer noch: Nicht wenige Führungskräfte dieser Partei plappern unreflektiert irgendwelchen neoliberalen Unfug nach, statt sich der Mühe zu unterziehen, liberal zu denken.

 

 Machen wir uns nichts vor: In der aktuellen politischen Diskussion wird deutlich, dass werthaltige und richtige Forderungen der FDP nicht mehr aus den geistigen Grundlagen des politischen Liberalismus abgeleitet werden, sondern aus kurzfristigen taktischen Erwägungen - häufig genug sind das die taktischen Erwägungen in Bezug auf die eigene Karriere.

 

In vielen Führungsgremien und bei nicht wenigen Führungskräften auf Landes- und Bundesebene kann ich ein politisches Handeln aus den geistigen Wurzeln des wertgebundenen politischen Liberalismus heraus nicht mehr erkennen.

 

Deshalb brauchen wir Liberalen eine Rückbesinnung auf die Grundlagen des wertgebundenen politischen Liberalismus. Ausgehend vom Konzept der sittlichen Würde begründet der wertgebundene politische Liberalismus die Voraussetzungen einer freiheitlichen Ordnung, die dem Einzelnen Selbstentfaltung in Verantwortung erlaubt.

 

Dies geht mit einer politischen Kultur der fortdauernden Aufklärung einher. Von einer solchen politischen Kultur hat sich die FDP aber immer mehr entfernt. Und deshalb ist es für den parteipolitisch organisierten Liberalismus in Deutschland überlebenswichtig, diese politische Kultur der Aufklärung wieder zu leben und aus ihr zu handeln.

 

Die Piratenpartei ist für viele engagierte Liberale attraktiv, weil sie genau dort den Versuch sehen, politische Aufklärung aus einer zutiefst liberalen Denkhaltung heraus zu betreiben.

 

Das können wir nur mit einer Leidenschaft für die aufklärerische Vernunft tun. Diese Leidenschaft hat sich aber in den Monaten der Regierungsverantwortung auf der Bundesebene kaum entwickeln können.  Machen wir uns nichts vor: So manche Führungskraft der FDP hat diesen Eindruck durchaus verstärkt. Und gelegentliche Auftritte des Bundesvorsitzenden als Klassenkasper in Talkshows können daran wenig ändern. Denn hier wird Humor mit Klamauk, Wertgebundenheit mit Markenbewusstsein verwechselt.

 

Wir müssen deshalb wieder deutlich machen, dass individuelle Rechte und auch wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Einzelnen durch die sittliche Würde begründet sind und deshalb das individuelle Wohlergehen als Ausfluss des Gemeinwohls überhaupt erst möglich ist.

 

Der politische Liberalismus muss als prägende politische Grundlagenphilosophie der modernen Gesellschaften die Frage nach der sozialen und ethischen Fundierung von Gesellschaft beantworten.

 

Dies geht mit dem Konzept des Rechte sichernden freiheitlichen Pluralismus einher, das aus gemeinsamer Wertüberzeugung und leitender Gerechtigkeitsvorstellung die fundamentalen Menschenrechte und Menschenpflichten begründet. Das ist kein „kaltes Projekt“, sondern wir müssen leidenschaftlich dafür streiten und werben, dass individuelle Freiheit und soziale Verantwortung unter der Leitidee der sittlichen Würde sich entwickeln können.

 

Und deshalb braucht dieses Land den politischen Liberalismus: Er muss mutig der reaktionären Flucht in die Unmündigkeit und dem Ausblenden der ethischen Dimension politischen Handelns entgegentreten.

 

Der wertgebundene Liberalismus fordert die ständige Umsetzung der Freiheitsidee in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Das hat massive Auswirkungen auf unsere Bildungspolitik, die als Arbeit an der Aufklärung begriffen werden muss. Das hat massive Auswirkungen bei unserem Kampf um Meinungsfreiheit und um die Sicherung individueller Freiheitsrechte, weil diese Freiheitsrechte direkt aus dem Konzept der sittlichen Würde abgeleitet sind. Das hat erhebliche Auswirkungen auf eine verantwortete Sozial- und Wirtschaftspolitik, die sich den Forderungen eines ethischen pragmatischen Imperativs stellen muss. 

 

Gegenwärtig argumentieren wir hier viel zu oft mit etatistischen und Nützlichkeitserwägungen. In den gegenwärtigen sozial- und steuerpolitischen Debatten haben wir Liberalen es sogar zugelassen, ausschließlich über Nützlichkeitserwägungen zu diskutieren. Wenn wir das tun, betreiben wir tatsächlich „kalte Projekte“ und geben den Menschen keine Heimat mehr.

 

Wir müssen die Nützlichkeitserwägungen wieder dorthin bringen, wo sie hingehören: In den Bereich bloßer taktischer Erwägungen. Wer aber nur mit taktischen Erwägungen Politik machen will, muss scheitern. Die Bürger haben ein Recht auf die ethische Grundlegung politischen Handelns, und die Menschen fordern dies zu Recht ein.

 

Die FDP gibt hier seit einiger Zeit keine Antworten mehr auf diese drängenden Fragen. Gleichzeitig nehmen die Menschen wahr, dass in der Piratenpartei nach solchen Antworten gesucht wird.

 

Dabei hat der wertgebundene politische Liberalismus hier überzeugende Antworten und glasklare Positionen. Die sind nur nicht mehr kommuniziert worden, und dies geschah vermutlich auch aus Nützlichkeitserwägungen. Doch wenn wir Liberalen Nützlichkeitserwägungen gegen die Würde des Menschen ausspielen (lassen), haben wir den wertgebundenen politischen Liberalismus aufgegeben.

 

Einige Mitglieder unserer Partei - vor allen Dingen in den Führungsgremien - haben das tatsächlich. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die Partei das insgesamt tut. Gegenwärtig ist das aber ein kräftiger Trenbd.

 

Die programmatische Diskussion kann eine Gelegenheit sein, hier ein Zeichen zu setzen. Gegenwärtig wird sie nicht glaubwürdig genug vermittelt.

 

 Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede, denn ich war vier Jahre Vorsitzender eines FDP-Stadtverbandes und fühle mich als wertgebundener Liberaler Lichtjahre von der Bundespartei entfernt!

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Kommentare: 4
  • #1

    Klaus (Freitag, 13 April 2012 14:10)

    Hallo,
    ich lese Ihren interessanten Blog zwar gerne, aber dieses Mal muss ich mal ganz laut STOP sagen. Der obige Text zeigt doch eigentlich schon warum die FDP scheitern wird . Als bisher liberaler Wähler muss ich leider feststellen, dass ich die FDP gewählt habe aufgrund bestimmter Wahlaussagen. Ich möchte mich hier deutlich auf das Thema Steuersenkung berufen.
    Die FDP hat hier doch 0.0 geliefert. Aus machtpolitischen Erwägungen heraus wurden diese Themen in der Koalition doch nicht mehr verfolgt.
    Programmatische Richtung der FDP ?? Was soll das den bedeuten ?? Grüne Meinungen übernehmen ?? Dann wähl ich doch gleich das Original, CDU Themen ??? Auch hier ist das Original besser.
    Ich werde die Piraten wählen, nicht weil die besser sind - aber bisher hat mich die Partei noch nicht angelogen!! Die FDP nicht nur einmal.
    Das Thema Rösler will ich hier gar nicht anschneiden, hier ist doch jeder PiratenNeuling kompetenter.

  • #2

    Georg (Freitag, 13 April 2012 17:11)

    Ich gehöre auch zu den FDP'Lern, die seit einiger Zeti mit der Piratenpartei liebäugeln, habe sie auch im Saarland gewählt. Ob ich da eintreten werde, weiß ich noch nicht, dass ich die FDP verlassen werde, scheint mir sicher.

  • #3

    Sabine (Freitag, 13 April 2012 17:15)

    Wir müssen deshalb die Freien Demokraten wieder auf liberale Linie bringen. Die wirklich Liberalen sind doch noch nicht alle weg.

  • #4

    Wolfgang Baumbast (Sonntag, 15 April 2012 17:00)

    Ich stimme Peter Welchering zu hundert Prozent zu. Die FDP, aber auch leider viele Basisliberale haben sich eine Laissez-faire-Einstellung zu eigen gemacht. Herausgekommen ist eine Politik der Beliebigkeit und des Kalküls. Das Herz und die Seele des Liberalismus ist auf der Strecke geblieben.

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