Ich sehe derzeit vier wesentliche und sehr konkrete Gefahren für die Presse- und Meinungsfreiheit in unserem Land. Es sind dies die Bundes- und Landesregierungen, die nicht selten direkt über die Verlagsetagen und Chefredaktionen auf die Berichterstattung Einfluss nehmen, Beiträge teilweise sogar verhindern. Dann sind wir Journalisten des öfteren mit öffentlichen Verwaltungen konfrontiert. Häufig verweigern Verwaltungen Informationen, die erst auf dem Klageweg errungen werden können.
Nicht selten täuschen Verwaltungen und Journalisten und sagen uns schlicht die Unwahrheit oder halten Informationen bewusst zurück. Auf Lokalzeitungen nehmen Verwaltungen und hier vor allen Dingen Stadtverwaltungen und deren Oberbürgermeister über das so genannte Telefonbuchprivileg sehr gern Einfluss. Lokale Telefon- und Adressbücher sind für örtliche Zeitungsverlage ein durchaus lukratives Geschäft. Dafür müssen sie aber mit den örtlichen Stadtverwaltungen kooperieren. Dies wird immer wieder ausgenutzt und sogar als Hebel genutzt, um eine bestimmte Tendenz-Berichterstattung zu erzwingen.
Zudem geben einige Städte eigene sogenannte Amtsblätter heraus, in deren Redaktionsstatuten teilweise sogar geregelt ist, dass in den Blättern kein Beitrag erscheinen darf, der den Interessen der Stadt nicht dienlich sein. Hat also zum Beispiel der Gemeinderat ein neues Rathaus beschlossen, so dürfen fortan keine kritischen Stimmen zum Rathausbau mehr veröffentlicht werden, weil dies ja den Interessen der Stadt schade.
Natürlich gibt es drittens auch die Einflussnahme von Unternehmen. Über einen angedrohten Anzeigensboykott oder in Aussicht gestellte Inserate lassen Verleger sich in einzelnen Fällen schon einmal dazu überreden, von ihrer verlegerischen Tendenz und dem damit verbundenen Tendenzschutz auch Gebrauch zu machen.
Die vierte Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit in unserem Land sind wir Journalisten selbst. Ich weiß, das lesen viele Kolleginnen und Kollegen nicht gern, aber es ist so. Wir gefährden die Meinungsfreiheit, indem wir uns teilweise einschüchtern lassen, teilweise mit einer Schere im Kopf schreiben, teilweise bestimmte heikle Themen erst gar nicht anrühren. Und dann gibt es natürlich auch noch diejenigen Kollegen, die sich in erster Linie als brave Parteisoldaten verstehen und statt Journalismus lieber Agitation und Propaganda betreiben. Der Stadtrat, Kreisrat, Regionalrat, verhinderte Landtagskandidat der CDU in Baden-Württemberg und Leiter der Kreisredaktion der Ludwigsburger Kreiszeitung, Günter Bächle, ist so einer.
Generell laufen Tendenzschutz und Parteienproporz im Redaktionsalltag der Presse- und Meinungsfreiheit oftmals zuwider. Hier brauchen wir neue Konzepte, hier müssen wir umstrukturieren, und das schnell! Insgesamt müssen wir feststellen, dass die Medien ihrer Kontrollaufgabe nicht mehr in allen Fällen nachkommen. Dafür sind politische Gründe, aber auch wirtschaftliche Gründe anzuführen. Investigativer Journalismus ist nun einmal teuer. Deshalb wird denn viele Medien nicht mehr betrieben. Die wirklich heißen Themen werden immer häufiger von freien Journalisten angefasst. Aber auch sie müssen investigative Geschichten immer häufiger quer subventionieren, weil die Medien, in denen sie diese invstigativen Geschichten dann veröffentlichen, die Recherche gar nicht oder nur zu geringen Teilen bezahlen. Doch Blogger und Podcaster treten immer stärker auf den Plan und übernehmen Aufgaben, die eigentlich wir Journalisten in konventionellen Medien abdecken müssten. Für diesen begrüßenswerten „Graswurzeljournalismus“ im Netz fehlt doch ein Finanzierungsmodell. Zudem ist das Finanzierungsmodell des konventionellen Journalismus nicht mehr stabil. Auch das gefährdet die Meinungsfreiheit.
Kurzfassung eines Impulsreferates vor dem Fachausschuss Innen und Recht der Liberalen im Landtag Baden-Württemberg am 8. Oktober
2011
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