Impulsreferat zur Eröffnung der Veranstaltung "Vision Remseck 2030/2040"
am 27. August 2010
Wir wollen hier über Bürgerbeteiligung diskutieren, sogar über die Vorteile eines Bürgerhaushalts. Da muss man ja zunächst einmal fragen: Woher nehmen die Liberalen die Chuzpe, über Bürgerbeteiligung reden zu wollen. Denn: Bürgerbeteiligung scheint doch gar nicht mehr in zu sein. „In“ ist viel mehr Politikverdrossenheit. Und das ist ja das genaue Gegenteil von Bürgerbeteiligung.
Also bleiben wir zunächst einmal bei der Politikverdrossenheit. Das hat den Vorteil, dass wir Remsecker da ganz genau wissen, wovon wir reden. Denn unser Rathaus darf man ja wohl mit Fug und Recht als die Zentrale zur Herstellung von Politikverdrossenheit bezeichnen, den leitenden Angestellten dieser Kommune als die lebendige Ursache von Kommunalpolitikerverdossenheit.
Woher also kommt diese Verdrossenheit und steht sie dem Anliegen einer Bürgerbeteiligung wirklich diametral gegenüber? Nun, diese Verdrossenheit ist in erster Linie zurückzuführen auf die Erfahrung von Geringschätzung. Das habe ich in vielen Gesprächen mit Bürgern erfahren. Denn der leitende Angestellte dieser Großen Kreisstadt argumentiert gern so: Wir da oben an der Spitze dieser Kommune wissen ohnehin, was besser oder zumindest richtig ist. Ihr da unten habt keine Ahnung. Und wir werden alles tun, damit ihr auch keine Ahnung bekommt.
Die Verwaltung verteidigt Herrschaftswissen. Und die Verwaltung wehrt sich gegen jede Art von Transparenz. So manche Durchstecherei und Mauschelei wäre dann nämlich nicht mehr denkbar. Wenn es um Mauscheleien geht, ist die ansonsten sehr begrenzte Leistungsfähigkeit unserer Verwaltung dann doch plötzlich groß. Ich denke da nur an Haushaltspläne, in denen die Verwaltung bewusst Zahlen unterschlägt.
Was passiert nun bei der Erfahrung dieser Geringschätzung? Ein Teil der geringgeschätzten Bürger hat einfach keine Lust mehr, sich zu engagieren. Da wird es sehr schwierig. Und da ist insbesondere in unserer Stadt enorm viel kaputt gemacht worden. Ich muss Ihnen gestehen, wenn ich über all das durch Geringschätzung vernichtete kreative Potenzial in dieser Stadt nachdenke, könnte ich zum zornigen alten Mann werden. Aber es ist auch so etwas wie ein Protest dagegen entstanden.
Und diesen Protest müssen wir als Ausgangspunkt für mehr Bürgerbeteiligung nutzen. Das ist ein wichtiges Anliegen der Bürgergesellschaft. Wenn dieses Anliegen konsequent verfolgt wird, kann aus dem Humus anfänglicher Politikverdrossenheit sogar das zarte Pflänzchen Bürgerbeteiligung wachsen. Ich habe das während der vergangenen Wochen in vielen Gesprächen mit Stuttgart-21-Gegnern erlebt. Die sind zum Hauptbahnhof gezogen, weil ein Politiker, ein Verwaltungsmitarbeiter sie verdrießlich gestimmt hat. Ich war überrascht, so oft zu hören, dass es bei diesem ganz konkreten Protest eigentlich um das Äußern von Verdrossenheit geht. Und aus dieser Verdrossenheit erwächst dort Protest.
Aus dem Protest kann Bürgerbeteiligung erwachsen. Diesen Prozess müssen wir im Auge haben, auch hier in Remseck. Wann und wo immer sich die Arroganz der Macht äußert, entsteht Verdrossenheit. In Remseck haben wir es da ein klein wenig besser. Wir haben es mit der ignoranten Arroganz der Macht zu tun. Die daraus entstandene und entstehende Verdrossenheit äußert sich in Protest. Diesen Protest müssen wir in Bürgerbeteiligung organisieren und dabei die alte Forderung einer liberalen Ethik nach Freiheit, Gleichheit und Selbstständigkeit umsetzen.
Bei dieser Selbstständigkeit geht es auch um die Selbstständigkeit des Steuerbürgers. Und da sind wir beim Thema Bürgerhaushalt.
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Simon (Dienstag, 19 Oktober 2010 12:49)
Verdrossenheit? Ja! Wie wollt ihr da noch Bürger beteiligen. Den Politikern traut doch niemand mehr.