Netzmedien nehmen Klammerfunktion wahr

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Im „Mediengespräch“ der Sendung „Ortszeit“ in Deutschlandradio Kultur haben wir heute Morgen mal die Diskussion um Thilo Sarrazin etwas genauer analysiert. Hier haben sich interessante Aspekte ergeben. Zum einen ist die Diskussion über Sarrazin in den digitalen Medien viel differenzierter geführt worden als in den analogen. Allerdings muss man auch zugeben, dass die Diskussion in einigen digitalen Medien schon schlimme Auswüchse gezeigt hat. Da hat sich ganz offensichtlich das Niveau unter’m Sofa verkrochen und geschämt.

 

Die medienanalytische Betrachtung dieser Debatte ergibt dabei interessante Ergebnisse. Denn spätestens die Sarrazin-Debatte kann als Beispiel dafür angeführt werden, dass die noch vor einigen Jahren als systemrelevant hingenommene Aufteilung obsolet geworden ist, derzufolge die analogen Medien die konventionellen Trends abarbeiten und die analogen die Gegentrends. Vielmehr wird die Trendmischung in den digitalen Medien zielgruppenspezifisch vorgenommen.

 

Das hat zur Folge, dass in den unterschiedlichen Foren, sozialen Netzen und Kurznachrichtendiensten, aber auch in Podcasts und crossmedialen Produkten der Mainstream-Journalismus der konventionellen Medien aufgenommen, aber zugleich gebrochen wird. Die veröffentlichte Meinung im Netz nimmt die veröffentlichte Meinung des Mainstream-Journalismus auf, stellt aber völlig neue Zusammenhänge her und löst das Thema der Diskussion so von der Matrix des Mainstream-Journalismus ab.

 

Das aber hat wiederum Rückwirkungen auf die analogen Medien mit ihrem Mainstream-Journalismus. Denn sie greifen zum einen die Themen und Diskussionen aus dem Netz in ihrer Berichterstattung auf und berichten damit viel stärker als früher jenseits des Mainstreams, integrieren in ihre Berichterstattung sogar Elemente des Gegentrends. Weil die analogen Medien aber zugleich Web-Präsenzen, Portale, Kurznachrichtendienste und andere Netzmedien als Distributionskanäle beschicken, tragen sie diese angereicherte Diskussion in die Netzmedien zurück. Netzmedien und analoge Medien ergänzen sich auf diese Weise in der Fortschreibung der Debatte.

 

Aber dabei zeigt sich auch, dass die Netzmedien zunehmend eine Klammerfunktion übernehmen. Sie klammern und integrieren damit Trend und Gegentrend in der Berichterstattung. Sie reichern Berichterstattungselemente des journalistischen Mainstreams an und werden damit zum Entwicklungsmotor von Debatten.

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