Geistiges Eigentum: Warum ein neues Verwertungsrecht her muss - zur Acta-Debatte

 

Als vor zwei Jahren die wesentlichen Inhalte für das Handelsabkommen Acta in einer Geheimverhandlung im neuseeländischen Wellington festgelegt wurden, war in Deutschland kein Politiker davon zu überzeugen, dass die im Acta-Abkommen vorgesehenen technischen Maßnahmen geradewegs zum Überwachungsstaat führen und dass eine lebensfremd gewordene und dem Alltag vieler Menschen völlig entrückte Urheberrechtspraxis auch nicht durch noch so rabiate technische Maßnahmen geändert werden kann.

 

Ich bekenne mich ganz ausdrücklich zur Notwendigkeit, geistiges Eigentum zu schützen. Ich bekenne mich sogar zu diesem in der gegenwärtigen Diskussion zum Kampfbegriff gewordenen „geistigen Eigentum“. Ein Artikel, den ich geschrieben habe, ein gebauter Beitrag, den ich produziert habe, in Video, das ich gedreht habe, gehört mir. Ich räume anderen Verwertungsrechte ein und werde dafür bezahlt. Damit kann ich die Produktionskosten begleichen und außerdem vom Erlös dieser Arbeit leben. Und ich will, dass mein Artikel, mein Video, mein Hörfunkbeitrag nicht sinnentstellt werden, die von mir dort gemachten Aussagen in ihr Gegenteil gekehrt werden. Das muss durch das Urheberrecht sichergestellt sein.

 

Genau dies aber leistet die hierzulande bestehende Urheberrechtspraxis nicht. Immer weniger Urheber können von ihrer Autorentätigkeit leben. Immer häufiger werden die Arbeiten von Urhebern ohne deren Einverständnis verwertet und ohne dass ihnen diese Verwertung vergütet wird. Das ist bestehende Urhebrechtspraxis in diesem Land.

 

Ein Beispiel mag das Problem illustrieren. Vor zwei Jahren wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ein in Hamburg ansässiger Verlag ein neues Online-Portal an den Markt gebracht und zum überwiegenden Teil einfach Texte und fotografische Arbeiten von mir in diesem Portal veröffentlicht hatte. Kein Mitarbeiter dieses Verlages hatte mich um Erlaubnis gefragt, ob sie meine Texte und Bilder verwerten dürfen. Ich setzte mich mit dem Verlag in Verbindung und wollte klären, was dort passiert sei. Man verhandele nicht mit Autoren, beschied man mir telefonisch. Außerdem habe man an keiner Stelle meinen Namen als Autor genant, ich könne also gar nicht beweisen, dass ich Urheber der Texte und Bilder sei.

 

Ich übergab die Angelegenheit meinem Anwalt, der schickte dem Verlag eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ins Haus. Reaktion des Verlages: Man ließ durch einen Anwalt anragen, ob ich wahnsinnig geworden sei. 1. sei es eine Ehre, in diesem Portal veröffentlicht zu werden und 2. können man mich so unmöglich machen in der Branche, dass niemand mehr ein journalistisches Produkt von mir kaufen wolle, immerhin seien sehr bekannte Persönlichkeiten der Medienszene dem Verlag sehr verbunden.

 

Mein Anwalt erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Stuttgart. Der Verlag legte Widerspruch ein, es kam zur Hauptverhandlung. Die Richter der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts ließen schon zu Beginn der Verhandlung erkennen, dass hier eine nicht genehmigte Nutzung meiner Werke durch den Verlag vorliege. Man wollte den Fall allerdings schnell bereinigen. Am Ende musste der Verlag zwar sämtliche Rechtskosten tragen und verpflichtete sich zur Zahlung von 2000,00 Euro. Ich hatte jedoch in das gesamte Verfahren ungefähr 160 Arbeitsstunden investiert.

 

Wenige Monate später sah ich auf einer Messe, dass derselbe Verlag Fotografien von mir für Werbebanner nutzte. Niemand hatte mich hier um Erlaubnis gefragt. Mein Anwalt verschickte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, der Verlag entgegnete ein paar Drohungen, und der Verlagsanwalt versuchte mir zu erklären, ich solle doch meine berufliche Existenz nicht durch eine so überzogene Reaktion gefährden. Am Ende zahlte der Verlag die Rechtskosten, mir ein paar hundert Euro, und ich blickte wiederum auf mehrere Tage investierte Zeit die ich mit anderen Arbeiten wesentlich gewinnbringender hätte gestalten können. Kurze Zeit später veröffentlichte dieser Verlag in einem Brancheblatt ein Portraitfoto eines bekannten Branchenpolitikers. Aufgrund des recht einmaligen Hintergrundes erkannte ich sofort, dass es sich um ein Foto handelte, dessen Urheber ich war. Die juristische Auseinandersetzung endete damit, dass wiederum Anwaltskosten etc. vom Verlag übernommen werden mussten und mir etwas mehr als 100 Euro zugestanden wurden.

 

Da ist es vermutlich verständlich, dass ich keine große Lust mehr hatte, schon wieder meinen Anwalt einzuschalten, als einige Monate später schon wieder ein Foto, dessen Urheber ich war, in einer der Zeitschriften dieses Verlages sah. Anwalt eingeschaltet, strafbewehrte Unterlassungserklärung usw. usw.

 

Nach dem vierten Urheberrechtsverstoß dieses Verlages wurde mir eines klar: Die gängige Urheberrechtspraxis begünstigt solche fortgesetzten Verstöße. Der Verlag war zudem der Meinung, dass er als der wirtschaftlich Stärkere in diesem Verfahren seine Position schon durchsetzen könne. Formaljuristisch gesehen konnte ich meine Rechte als Urheber durchsetzen. Doch dieser juristische Erfolg war enorm teuer erkauft.

 

Ich gebe gern zu: Die Erfahrungen mit diesem Verlag habe mich massiv geprägt. Vor allen Dingen deshalb bevorzuge ich nach wie vor gern die Metapher vom „geistigen Eigentum“. Denn dieser Verlag hat mich durch sein Verhalten bestohlen. Wenn ich dann Argumente höre, dass beim Ladendienstahl ein Gegenstand verschwinde, aber meine Texte und Fotos doch gleich mehrfach vorhanden sind, wenn solch ein Verlag damit sein Online-Portal bestückt, wird mir einfach nur schlecht.

 

Wir brauchen eine Urheberrechtspraxis, mit der Autoren ihre Rechte auch gegen wirtschaftlich Stärkere durchsetzen können.

 

Und ich bestehe darauf: Wer meine Texte oder Fotos irgendwo ungefragt veröffentlich und damit dann auch noch wie im Fall des Hamburger Verlages ordentlich Geld verdient, der fügt mir Schaden zu. Ich nenne dieses Verhalten: Diebstahl geistigen Eigentums.

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Kommentare: 7
  • #1

    Arnd Kulow (Sonntag, 19 Februar 2012 13:08)

    Wichtig und nicht wegzudiskutieren ist die Geltung des Urheberpersönlichkeitsrechts. Der Urheber muss in jedem Fall genannt werden!
    Dieses absolute Recht ist auch nicht übertragbar - schon nach jetziger Rechtslage nicht.

    Diese Beziehung des Urhebers zu seinem Werk ist übrigens viel stärker als die zum körperlichen Eigentum. Am ehesten vielleicht vergleichbar mit einem Haus, dass man mit eigenen Händen gebaut hat.

    Die Frage wer das dann wie verwerten darf, wenn der Urheber das Werk freiwillig veröffentlichen will, ist meines Erachtens davon zu trennen.

  • #2

    Peter Piksa (Sonntag, 19 Februar 2012 14:07)

    Hallo Peter. Die Kommentarfunktion in Deinem Blog hat meine Antwort an Dich wegen der Längenbegrenzung nicht aufnehmen können. Du findest sie deshalb bei mir im Blog:
    http://www.piksa.info/blog/2012/02/19/geistiges-eigentum-weshalb-autoren-und-prosumenten-seite-an-seite-stehen/

    Viele Grüße
    Peter

  • #3

    C_Holler (Sonntag, 19 Februar 2012 14:39)

    Moin,

    ich kenne solch urheberrechtliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Hebeln und meine bewusst die kommerzielle Verwendung eines Werkes.
    Dein Text beleuchtet ein unsägliches Prozedere, von denen auch Grafiker berichten können. Dennoch ist der Begriff "geistigen Eigentums" und vor allem ein "Diebstahl" davon eine irreführende Worthülse, die auch deinem Anspruch nicht gerecht werden dürfte.
    Vielleicht macht folgende Formulierung mehr Sinn und stellt korrekt den Sachverhalt dar: "mißbräuchliches Nutznießen" und hierbei (was mir als eigentliches Übel erscheint) die kommerziell verwertete/verwertbare Variante. Privates Nutznießen publizierter Werke sollte stets im Interesse des Schöpfers sein, selbst wenn es nicht direkt mit Geldfluß einhergeht. Reichweite und Aufmerksamkeit werden und sind auf Sicht die wirklich verwertbaren Elemente eines Werkes, solange die Verwertung dir oder einem von dir beauftragten Dritten unterliegt.

    Bestes Claudius

  • #4

    Patrick H. (Sonntag, 19 Februar 2012 16:32)

    @Arnd Kulow

    Dem möchte ich entschieden widersprechen. Das Urheberpersönlichkeitsrecht kann nämlich auch bedeuten, dass dem Urheber das Recht zusteht, explizit nicht genannt werden zu wollen.

    Zumindest sollte man soetwas im Hinterkopf behalten, damit man in einer Diskussion nicht möglicherweise die Position vertritt, die Nennung eines Urhebers als absolute Pflicht festzuschreiben.

    Es gibt auch in Zukunft immer mehr gemeinschaftlich entstandene, urheberrechtlich geschützte Werke (Wikipedia-Artikel, oder große freie Softwareprojekte bspw.), bei denen der vernünftigen Benutzbarkeit des Werks wegen ein Verweis auf die Nennung aller UrheberInnen einer Nennung aller UrheberInnen ggf. definitiv vorzuziehen ist.

  • #5

    vera (Sonntag, 19 Februar 2012 19:04)

    Einigt euch doch auf Immaterialgüter, das ist eindeutig. Denn die Metapher mit dem Eigentum unterstützt in der Tat die irreführende Argumentationslinie der Verwerter.

    Außerdem dringt die Tatsache des Vorhandenseins immaterieller Güter so nicht in die öffentlichen Diskussion vor - was die Debatte nicht eben leichter macht. Die sachliche Auseinandersetzung setzt die Bekanntheit entsprechender Begrifflichkeiten voraus.

  • #6

    Peter Welchering (Montag, 20 Februar 2012 10:14)

    Veras Vorschlag finde ich hilfreich. Eigentum an immateriellen Gütern ist eben Eigentum des Urhebers.

  • #7

    Thomas (Freitag, 13 April 2012 17:08)

    Handelt es sich bei dem im Blog-Post genannten Verlag um die Hamburger Untitled GmbH?

Was kann ein Comiccast?